Mordloch
ankommen, sind sie verrottet.«
»Und trotzdem interessiert Sie der Schienenverkehr?« warf Linkohr ein.
»Ganz genau. Es gibt nämlich Güter, die sich sehr wohl dafür eignen, auch heute – obwohl bei der Deutschen Bahn keiner eine Ahnung hat, was ›Just-in-time‹ –Anlieferung wirklich bedeutet.«
»Zum Beispiel?« wollte Häberle wissen.
»Alles, was nicht verderblich ist und nicht stundengenau an einem Produktionsort sein muss. Oder denken Sie nur an das weite Feld des Recyclings.«
»Altöle?« hakte Häberle ruhig nach.
Kruschke schien für einen Moment irritiert zu sein. Dann fand er aber sofort seine Beherrschung wieder: »Ja ... auch dies. Gefahrgut wird viel sicherer über die Schiene transportiert, als über unsere hoffnungslos überlasteten Straßen. Denken Sie nur an Ihre B 10 durchs Filstal zwischen Göppingen und Ulm!«
Häberle lehnte sich vorsichtig zurück, obwohl die Lehne des Plastikstuhls verdächtig nachgab und knackte. »Und Ihr Freund Metzger sieht das genau so?«
»Das weiß ich nicht«, erklärte Kruschke, »die jungen Leute haben manchmal abgehobene Ideen, das wissen Sie genauso gut, wie ich. Sie träumen von ihren Idealen – ohne zu bedenken, dass überall nur eines zählt. Und das ist Knete. Ohne Moos nichts los, Herr Kommissar. Aber die meisten in diesem Land kapieren immer weniger, dass Geld erst verdient werden muss, bevor man’s ausgibt.«
Häberle nickte. In diesem Fall musste er dem Mann Recht geben.
Linkohr unternahm einen neuerlichen Versuch, das Gespräch in die gewünschte Richtung zu bringen: »Metzger sieht das also anders?«
Kruschke lächelte überlegen. »Sagen wir mal so, es werden noch einige Gespräche notwendig sein, um ihn davon zu überzeugen, dass der gewerbliche Güterverkehr im Vordergrund stehen muss.«
»Und Sie auf ...« Häberle überlegte, »... und Sie auf Kosten des gemeinnützigen Vereins Ihren Betrieb umstrukturieren?«
Die Miene des Spediteurs wurde wieder finster. »Ich bitt’ Sie, Herr Häberle, von ›umstrukturieren‹ kann nicht die geringste Rede sein. Es ist eher ein Experiment – ja, ein Experiment, mit dem gleichzeitig dem Verein finanziell unter die Arme gegriffen wird. So müssen Sie das sehen.«
»Noch eine andere Frage«, wechselte Häberle das Thema, »diese Export-Import-Firma in Heidenheim, mit der Flemming kooperiert hat, zählt auch zu Ihren Kunden. Das haben Sie uns schon gesagt.« Der Kommissar behielt sein blasses Gegenüber im Auge. Er ließ ihm gleich gar keine Gelegenheit zum Antworten, sondern fuhr fort: »Ismet Özgül. Sie kennen ihn also?«
Der Unternehmer schluckte und räusperte sich. »Flüchtig, ja, natürlich. Er ist ein Geschäftspartner wie hundert andere.«
»Was wissen Sie von den Kontakten zwischen Özgül und Flemming?«
Kruschke hob die Schultern. »So gut wie gar nichts. Wissen Sie, solange unsere Rechnungen bezahlt werden, und das ist bisher immer pünktlich geschehen, misch’ ich mich in die Angelegenheiten der Auftraggeber nicht ein.«
»Und ...«, Häberle sprach langsam, »... welche Beziehungen Frau Flemming als gebürtige Türkin zu ihren Landsleuten hat, wissen Sie natürlich auch nicht.«
»Nein«, erwiderte Kruschke fest, »da müssen Sie schon andere fragen.«
»Andere?« staunte Linkohr. Und Häberle hakte nach: »Wie sollen wir das verstehen?«
»Wie ich es sagte – andere, was weiß ich, wen. Jedenfalls nicht mich. Ich mach’ meinen Job und mein Hobby – und alles andere ist mir egal. Von Weibergeschichten hab’ ich sowieso die Nase voll. Das können Sie mir glauben, meine Herrn.«
Häberle hatte am Freitagabend seiner Frau schonend beigebracht, dass er am Wochenende arbeiten musste. In all den langen Ehejahren war sie es gewohnt, gelegentlich einen Sonntag allein zu verbringen. Auch Linkohrs neue Freundin Juliane, die inzwischen die meiste Zeit in seiner Wohnung verbrachte, zeigte Verständnis, schließlich war sie als Krankenschwester auch in Sonntagsdienste eingeteilt und wusste, was dies bedeutete.
Inzwischen allerdings hatte Häberle die Sonderkommission personell reduziert, weil nahezu alle sichergestellten Spuren bearbeitet, katalogisiert und ausgewertet waren. Der oberste Kripochef Helmut Bruhn hatte diesem Vorschlag ausnahmsweise zugestimmt, aber von dem Kommissar wissen wollen, bis wann er den Fall voraussichtlich gelöst haben werde.
»Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Schlüssel zu allem in Waldhausen liegt«, erklärte er seinem Chef am
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