Mordloch
verschränkte die Arme betont lässig vor der Brust.
»Läuft weiter. Hat mit dieser Sache nichts zu tun. Beruhig’ dich bitte.«
»Okay«, erwiderte der Deutsche, »mir gibt halt zu denken, dass sich mancherorts die Einheimischen fragen, wie sich das eine oder andere Geschäft trägt. Ich meine – finanziell.«
Özgül blieb gelassen. »Alles nachvollziehbar, alles zu belegen.«
Mehmet und Özmir standen noch immer unbeteiligt abseits und wagten nichts zu sagen.
»Na ja«, warf der Große ein, »es erscheint halt verdächtig, wenn so gut wie kein Kunde zu sehen ist.«
Der Mann hinterm Schreibtisch lächelte. »Es hat noch keinen einzigen Fall gegeben, bei dem sich die Behörden dafür interessiert hätten. Freie Marktwirtschaft!« Er strich sich über die Ärmel des schweißnassen Hemds. »Jeder hat halt seine Kalkulation ...«
Pohl hatte Albträume gehabt und geschwitzt. Die Tage in der U-Haft waren schrecklich gewesen. Zusammen mit drei anderen Männern in einer Zelle, die kaum größer war, als sein Tonstudio. Zwei Doppelstockbetten, eine Toilette, die nur mit einem Vorhang abgetrennt war, ein vergittertes Milchglasfenster. Einer der drei Mithäftlinge wartete auf seinen Mordprozess und hatte Tag und Nacht geschluchzt, weil ihn eine lebenslängliche Freiheitsstrafe erwartete; der andere war wegen eines größeren Anlagebetrugs festgenommen worden und der Dritte, ein Weißrusse, der kaum ein Wort Deutsch sprach, war angeklagt, in großem Stil mit Rauschgift gehandelt zu haben. Pohl hatte man eine der unteren Liegen zugewiesen. Ziemlich schnell war ihm klar geworden, dass in diesen Zellen ein rauer Ton herrschte. Er hatte sich deshalb an den Gesprächen, die meist im Kriminaljargon geführt wurden, nur selten beteiligt. Wenn überhaupt, dann lag allenfalls der Betrüger auf seiner Wellenlinie, der sich vornehm und höflich gab. Aber das hatten Betrüger wohl so an sich, dachte Pohl, der die ganzen Tage über davon überzeugt gewesen war, innerhalb kürzester Zeit wieder herauszukommen. Dass dies dann aber nur mit Hilfe einer Kaution gelang, stimmte ihn nachdenklich, denn damit wurde deutlich, dass der Verdacht gegen ihn bei weitem nicht ausgeräumt war. Aber wenigstens brauchte er nicht Wochen oder gar Monate in dieser Zelle zu verbringen – von den Honorarausfällen ganz abgesehen. Insgeheim hegte er einen Hass auf diesen Häberle und die Staatsanwaltschaft, die es sich offenbar ziemlich einfach machten. Pohl hatte zu spüren bekommen, wie schnell man in den Strudel der Ermittlungen geraten konnte – und wie schwierig es war, sich den Mühlen der Justiz, wenn sie begonnen hatten zu mahlen, wieder zu entziehen. Was ihm immer wieder durch den Kopf gegangen war, hat er schon am ersten Tag mit einem Bleistift auf ein Stück Papier geschrieben: »Die Wahrheit kommt immer auf den Tisch.« Er wollte ein Lied draus machen – um sich den Frust, seinen ganzen Ärger von der Seele singen zu können.
An diesem Samstagnachmittag hatte er sich deshalb in sein Studio zurückgezogen. Er brauchte Ruhe und musste diese schrecklichen Ereignisse erst einmal verdauen. Seine Ehefrau Conny und die beiden Kinder waren unendlich froh, dass er wieder zu Hause war – und sie zeigten Verständnis dafür, dass er mit sich und seiner Musik im Studio allein bleiben wollte.
Er hatte sich ans Keyboard gesetzt, das mit einem Computer verbunden war, der die gespielten Noten sofort auf einem Bildschirm sichtbar machte. »Die Wahrheit, die Wahrheit kommt immer auf den Tisch ...«, sang Pohl und fand problemlos die richtigen Tasten für die Melodie, die ihm im Kopf umherging. Die weiteren Textzeilen hatte er noch in der Zelle niedergeschrieben.
Er war gerade dabei, das fertige Lied zu spielen und zu singen, als es an der Tür klingelte. Pohl brach abrupt ab, ging durch den Vorplatz und öffnete.
Er erschrak und befürchtete, die gerade erst wiedererlangte Freiheit erneut zu verlieren. Vor ihm standen Häberle und Linkohr.
»Nicht erschrecken«, begann der Kommissar noch vor der Begrüßung, »wir wollen nur ein paar Fragen stellen.«
»Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, ich freu’ mich über Ihren Besuch«, erwiderte Pohl schlagfertig und bot den beiden einen Platz an dem kleinen Tischchen im Vorplatz an. »Sie haben mich einige schreckliche Tage und Nächte gekostet.«
»Nicht wir, sondern der Richter«, stellte Häberle ruhig klar, als sie sich setzten. Der Musiker räumte einen Stapel CDs beiseite.
»Wenn sich
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