Mordloch
zwirbelte irritiert an seinem Schnauzbart. »Botaniker?«
Häberle erwähnte die australische Eiche und dass es im Teppich-Ausstellungsraum viele exotische Gewächse gebe. »Ich will wissen, ob’s dort so eine Eiche gibt und ob in letzter Zeit davon ein Stück Stamm herausgesägt wurde.«
Schmidt machte sich jetzt Notizen.
»Wichtig sind aber vor allem Hinweise auf Zusammenhänge mit den Flemmings – und ob sich irgendetwas findet, was auf das Verschwinden der Frau Flemming hindeutet. Oder deren Komplizenschaft«, erklärte Häberle weiter und stand auf. »Halten Sie mich auf dem Laufenden«, bat er dann und deutete auf seinen Kollegen Linkohr. »Wir beide werden bei der Durchsuchung nicht gebraucht. Heute Abend gönnen wir uns ein paar freie Stunden und morgen früh ein Sonntagsvergnügen.«
Schmidt schaute den Chef verständnislos an. Auch Link-ohr wusste mit Häberles Äußerung nichts anzufangen.
39
Der Andrang war wieder riesengroß. Im Bereich des Bahnhofs von Amstetten gab es jetzt, kurz nach halb elf Uhr, so gut wie keinen freien Parkplatz mehr. Das herrliche Sommerwetter hatte erneut Tausende zur Museumsbahn gelockt. Unbezahlbare Werbung waren diesmal aber auch einige Artikel in überregionalen Zeitungen gewesen, die den Mordlochfall mit den Hobbyeisenbahnern in Verbindung gebracht hatten. Es schien so, als seien viele Besucher heute nur gekommen, um sich diese möglichen Schauplätze des schrecklichen Geschehens einmal mit eigenen Augen anschauen zu können. Ein bisschen Gruseln beim Sonntagsausflug war schließlich etwas ganz Neues.
Die Ulmer Eisenbahnfreunde hatten ihre E 75 11 18 bereits am frühen Morgen anheizen müssen. Eine ziemlich aufwendige Arbeit. Kruschke, ganz in Schwarz gekleidet, war mit seinem Kollegen in die Lok geklettert, um Dampfdruck und Temperatur zu prüfen. Das schwarze Ungetüm zischte und schnaubte, stieß weiße Qualmwolken in den blauen Himmel und war, wie üblich, von Video-filmern und Hobbyfotografen umgeben. In den Waggons herrschte bereits dichtes Gedränge – und Ärger, weil es wieder keine Platzkarten gegeben hatte. Florian Metzger, der junge Eisenbahner mit der schneidigen Uniform von Anno dazumal, lächelte den Passagieren zu. Sein Verhältnis zu Kruschke war seit einigen Tagen abgekühlt. Der Lokführer hatte den jungen Vereinskameraden wegen des Vorfalls am Bahnübergang zur Rede gestellt. Eigentlich hatten sie den Unfall unter sich ausmachen wollen, doch war die Polizei von irgendeinem Anlieger gerufen worden, nachdem der Übergang durch den lädierten Lastwagen längere Zeit nicht befahren werden konnte.
Auf dem benachbarten Durchgangsgleis rauschte ein ICE vorbei. Eine solche Gelegenheit ließen sich die Hobbyfilmer nicht entgehen – Nostalgie und modernste Technik in einer einzigen Szene vereint.
Kruschke blickte durch das rechte offene Fenster nach hinten. Noch hingen Menschentrauben vor den Einstiegen. Er wollte sich auf keine einzelnen Gesichter konzentrieren, doch dann fiel sein Blick zufällig auf die beiden Männer, die sich jetzt dem Bahnsteig näherten und sich einen Weg durch die wartende Menge bahnten. Tatsächlich, durchzuckte es den Lokführer. Die beiden Schnüffler. Dieser Häberle und sein Adjutant. Was zum Teufel, dachte er, hatte die bloß bewogen, mit nach Gerstetten zu fahren? Die Kriminalisten kamen schnurstracks auf die Lok zu – und hatten Kru-schke bereits gesehen. Es machte keinen Sinn, dachte er, sich jetzt abzuwenden. Stattdessen öffnete er die Tür, kletterte auf den Eisensprossen hinab und sprang vollends auf den Bahnsteig.
»Herzlich willkommen im Dampfzug«, strahlte er den Kriminalisten entgegen und hielt ihnen seine rußgeschwärzte rechte Hand entgegen. »Haben Sie Ihren Fall gelöst?«
Häberle schüttelte den Kopf. »Leider nein. Aber mein Kollege und ich haben beschlossen, uns ein kleines Vergnügen zu gönnen. Und es deutet auch einiges darauf hin, dass die Dampfbahn eine Rolle spielen könnte.«
Kruschke winkte ab. »Vertane Zeit. Ich bin mir ganz sicher, dass Sie auf dem Holzweg sind. Aber wenn Sie’s als Vergnügen sehen, dann bringt Sie das vielleicht auf neue Gedanken. Und Ideen.«
»Wir werden unseren Spaß haben«, meinte Häberle und drehte sich weg, um dem zweiten Waggon zuzustreben, vor dem der Andrang nicht ganz so groß war. Linkohr folgte ihm – und Kruschke blickte ihnen nachdenklich hinterher.
Der zweite Mann auf der Lok betätigte die dampfgetriebene Pfeife, worauf das Monster eine
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