Mordloch
vernommen werden. »Wo finden wir diesen Westerhoff um diese Zeit?« fragte er. Schmidt hatte bereits recherchiert und konnte die Telefonnummer in der WMF-Chefetage nennen, wo Westerhoff zu erreichen sein würde.
Häberle bat den Kollegen, ihm auch die Arbeitsstellen jener beiden Ortschaftsräte ausfindig zu machen, die am Samstagabend ebenfalls bei dem Auftritt des ›Kaos-Duos‹ in der Roggenmühle gewesen waren. Er meinte Mayer und Hellbeiner.
»Der Mayer ist Landwirt und dürfte zu Hause sein. Das klär’ ich aber ab und sag’ Ihnen Bescheid«, versprach Schmidt, »beim anderen weiß ich’s nicht. Klär’ ich aber auch ab. Was haben Sie vor, Chef?«
»Wir fahr’n gleich zur WMF.«
»Okay«, erwiderte Schmidt und wollte das Gespräch beenden, als Häberle noch rief: »Halt, stopp. Weiß man schon was vom Labor? Diese Holzsplitter von Flemmings Pullover – kann man dazu was sagen?«
»Das LKA hat sich noch nicht gemeldet, ich werd’ aber mal anrufen und den Jungs ein bisschen Beine machen«, sagte Schmidt und meinte damit das Landeskriminalamt in Stuttgart. Dann unterbrach er die Verbindung.
»Rufen Sie diesen Westerhoff mal an«, bat Häberle seinen jungen Kollegen, »aber nicht abwimmeln lassen.« Er schaute auf die Uhr. Es war inzwischen halb zwölf. »Der Herr Manager muss uns empfangen.«
Augenblicke später meldete sich eine Frauenstimme, die zunächst wissen wollte, um welche Angelegenheit es gehe.
»Ein paar Auskünfte«, erwiderte Linkohr. Sein Blick fiel auf die markante Felsformation der Hausener Wand, die links drüben am Hang vorbei zog.
»Herr Westerhoff hat aber gerade eine Besprechung«, säuselte die Stimme.
»Es ist aber sehr dringend«, blieb Linkohr hartnäckig. »Besteht nicht die Möglichkeit, ihn kurz zu fragen, ob wir schnell mal vorbeikommen können?«
Die Frau war verunsichert. Häberle schmunzelte. Er hatte schon oft von der strengen Hierarchie in diesem Unternehmen gehört, das sich mit seinen weltbekannten Bestecken, Kochtöpfen und Kaffeemaschinen so weltoffen präsentierte. Innerhalb aber war dafür gesorgt, dass nichts nach außen drang, was dem Image des Unternehmens auch nur im Geringsten schaden würde. Gerade in diesen Wochen, das war auch Häberle zu Ohren gekommen, kämpfte die WMF mit ihrem neuen Hochregallager, das offenbar nicht zum Laufen zu bringen war und somit durch verspätete oder ausgefallene Lieferungen Riesenverluste verursachte. Doch der Vorstandsvorsitzende und seine Pressestelle setzten alles daran, das durch logistische Fehler verursachte Problem zu verniedlichen.
An dies musste der Kommissar denken, als er die Stimme der Frau hörte, die von ihrem Abteilungsleiter sicher derart eingeschüchtert worden war, dass sie es nicht wagen wollte, ihn zu stören. Linkohr versuchte es mit Engelszungen: »Wir möchten doch vermeiden, ihn zu unserer Dienststelle bitten zu müssen. Ich denke, es ist besser, er beantwortet uns ein paar kurze Fragen.«
Die Frau kämpfte mit sich. »Also gut«, sagte sie schließlich, »ich werde es versuchen.« Es dauerte einige Minuten, während denen eine Melodie aus dem Lautsprecher düdelte und der Mercedes an dem großen Gebäudekomplex der Bad Überkinger Mineralbrunnen AG vorbei fuhr. Vor ihnen lag nun Geislingen, von dessen Bergeskranz sich die Wolken gelöst hatten.
Endlich wurde die Melodie unterbrochen. »Herr Westerhoff erwartet Sie um zwölf. Melden Sie sich bitte am Tor eins«, sagte die Frauenstimme nun einigermaßen erzürnt.
»Danke«, erwiderte Linkohr und drückte den Ausknopf.
»Passt ja super«, kommentierte Häberle, »vielleicht ist dem Herrn Manager der Appetit aufs Mittagessen schon vergangen ...«
21
Georg Sander, der Journalist von der Geislinger Zeitung, war an diesem Montag bereits früh in die Redaktion gefahren. Er wollte, wie immer, wenn sich ein großer Kriminalfall ereignet hatte, nicht auf die offiziellen Pressemitteilungen von Polizei und Staatsanwaltschaft angewiesen sein. Dieser Mord, das war ihm gleich klar gewesen, hob sich von den üblichen Tötungsdelikten ab, die oftmals die Folge familiärer Streitereien oder alkoholbedingter Auseinandersetzungen waren. Hier konnte mehr dahinter stecken – auch wenn dies der grantelnde Göppinger Kripochef Helmut Bruhn gestern nicht bestätigen wollte. Aber das war ja auch nicht zu erwarten gewesen.
Auch Polizei-Pressesprecher Uli Stock in der Göppinger Direktion hüllte sich an diesem Vormittag in Schweigen. Er werde im Laufe des
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