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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Tages eine Pressemitteilung versenden. Sander jedoch ging inzwischen davon aus, dass Stock und die Staatsanwaltschaft nicht umhin kommen würden, eine Pressekonferenz zu veranstalten, denn mittlerweile riefen immer mehr Kollegen von auswärtigen Medien an, darunter RTL und Sat 1, um Näheres zu erfahren. Sander sah im Geiste schon die morgige Schlagzeile der Bild-Zeitung vor sich. Mord im Mordloch gibt Rätsel auf – oder so etwas ähnliches.
    Sander hatte die 50 zwar schon überschritten, aber sein jugendliches Aussehen und seinen Elan nicht verloren. Deshalb eilte er auch heute noch, nach all den Jahren, während der er diesen Job als Polizei- und Gerichtsreporter machte, gerne an die Tatorte, um sich selbst ein Bild von den Geschehnissen zu machen. Begleitet wurde er dabei von seinem Fotografen-Kollegen Peter Miele. Weil sie sich für nichts zu schade waren, bei Wind und Wetter, Schnee und Matsch ins Gelände gingen und dabei manche seltsame, bisweilen auch gefährliche Episode erlebten, galten sie im Kollegenkreis als »Dream-Team.«
    Sander hatte an diesem Vormittag mehrfach versucht, Häberle telefonisch zu erreichen. Ihn kannte er auch schon seit über 20 Jahren. Häberle hatte viele Mordfälle gelöst, Sander darüber berichtet. Nie war es in dieser Zeit zu einer Auseinandersetzung gekommen. Häberle hatte Verständnis für die Belange der Presse und wusste auch um deren Bedeutung bei der Aufklärung eines Falles – und Sander war kein einziges Mal wortbrüchig geworden, wenn er versprochen hatte, im Interesse der laufenden Ermittlungen keine Details zu beschreiben. Warum ein solches Verhältnis mit Bruhn nie zustande kam, darüber rätselte Sander immer wieder aufs Neue.
    Fotograf Miele, der eigentlich seit einem halben Jahr im Ruhestand hatte sein wollen, dann aber kurz zuvor erfahren musste, dass ihm für die Rente doch noch ein ganzes Jahr fehlte, war von Sanders Vorschlag begeistert, nach Waldhausen zu fahren. Er packte seine Digitalkamera in die große Umhängetasche und folgte dem Journalisten durchs Treppenhaus abwärts. Der weiße VW-Polo der Redaktion parkte hinter dem Verlagsgebäude, das sich in unmittelbarer Nachbarschaft zur Stadtkirche befand.
    »Kennen Sie diesen Flemming?« fragte Miele, der den Wagen rückwärts aus dem Parkplatz manövrierte, dabei Vollgas gab und die Kupplung schleifen ließ.
    Sander schüttelte den Kopf. »Nur vom Hörensagen. Der hat sich wohl in letzter Zeit durch seinen Kampf gegen das Schweinestallprojekt hervorgetan. Er war offenbar so etwas wie der Sprecher aller Gegner.«
    Miele bog rechts in die B 10 ein und nahm dabei einem herannahenden Dreißigtonner die Vorfahrt, vermied es aber trotzdem, allzu heftig zu beschleunigen. Als Ökofreak hasste er diese Kavalierstarts, bei denen unnötig viele Abgase in die Luft geblasen wurden. Der schwere Lastzug schloss dicht auf und drohte, den Polo vor sich herzuschieben. Sander hatte sich im Laufe der Jahre an solche Situationen gewöhnt und versuchte, ruhig zu bleiben.
    »Meinen Sie, der Wühler hat ihn kalt gemacht?« Obwohl ansonsten vornehm zurückhaltend, konnte der hagere Fotograf, wenn sie zu zweit unterwegs waren, auch gelegentlich ganz andere Töne anschlagen.
    »Auf den ersten Blick könnte man so was annehmen«, erwiderte der Journalist, dessen blonde Haare mal wieder viel zu lang waren, »aber das trau’ ich dem nicht zu. Der Wühler ist ein Ehrenmann, absolut. Für den würd’ ich beinahe die Hand ins Feuer legen.«
    Miele grinste und musste vor der nächsten Ampel anhalten, weshalb er sofort den Motor abstellte, wie er das immer tat, um Luftverschmutzung zu vermeiden. »Sie nehmen ihn in Schutz, weil Sie immer Ihren Christbaum bei ihm kaufen.«
    Sander winkte ab. »Nein, ich halt’ ihn für einen knitzen Älbler, der sehr genau weiß, wo’s mit der Landwirtschaft heutzutage hingeht.«
    Die Ampel sprang auf Grün. Miele griff zum Zündschlüssel und startete den Motor. Der Sattelzug hinter ihnen rückte noch ein paar Zentimeter näher, sein Diesel dröhnte.
    Der Fotograf hinterm Polo-Steuer blickte nicht in den Rückspiegel. »Aber die Ökologie bleibt auf der Strecke«, meinte er, »nur Wachstum, Wachstum um jeden Preis ist gefragt. Haben Sie schon mal diese Käfighaltung mit den Hühnern gesehen?«
    Der Journalist nickte betroffen. Er hatte es schon mal gesehen und sich eigentlich vorgenommen, künftig nur noch Eier von freilaufenden Hühnern zu kaufen. Aber wer konnte ihm diese Garantie schon geben?

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