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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Westerhoffs Besuch aus Stuttgart hatten. Ein Mann mit einem dicken Geländewagen war da. So eine Riesenkiste. Ich hab’ ihn genau gesehen, weil er direkt vor meinem Küchenfenster geparkt hat. Kommt nicht oft vor, dass sich Fremde in unser Wohngebiet verirren, müssen Sie wissen.«
    Die Enkel ließen wieder von ihrer Oma ab und schleuderten nun Stofftiere an die Wände.
    Aggressive Kinder sind das, dachte Sander.
    »Fast zwei Stunden war der da. Ein kräftiger Mann, bullig. Nicht gerade fein angezogen. Hab’ mich noch gewundert, weil die Westerhoffs sonst einen ganz anderen Umgang pflegen«, fuhr die Frau fort, »Schickimicki, wenn Sie verstehen, was ich meine. Als er wieder raus ist, hab’ ich ihn wieder gesehen. Deshalb vergess’ ich sein Auftreten und sein Gesicht auch nicht.«
    Sander wartete ungeduldig auf das Merkwürdige, das ihm angekündigt worden war. Miele trat bereits von einem Fuß auf den anderen. In einer halben Stunde begann seine Mittagspause und die wollte er möglichst nicht verpassen. Vielleicht waren sie doch einer Tratschtante aufgesessen, dachte er.
    »Ja«, machte die Oma nach einer kurzen Pause weiter, »und dann seh’ ich den Mann gestern im Zug wieder.«
    »Im Zug?« wiederholte Sander verständnislos.
    »Im Dampfzug«, erklärte die Frau, während die Enkel nun einen dicken Filzstift entdeckt hatten, mit dem sie Kringel an die Raufasertapete malten. Darüber brauchte sich aber niemand aufzuregen, denn die Wand war auf Kinderaugenhöhe bereits überall bunt besudelt.
    »Von Amstetten nach Gerstetten. Wir sind auch mitgefahren ...« Sie meinte sich, Tochter, Schwiegersohn und die Enkel. »Machen wir immer einmal im Jahr. Ja, und dann sitzt doch dieser Mann zufällig neben mir. Ich hab’ ihn sofort erkannt und es ihm auch gesagt. Aber das war ihm sichtlich unangenehm.«
    Sander blickte auf und sah in die flinken Augen der älteren Dame.
    »Wie hat sich das geäußert?« fragte er.
    »Ich hab’ ihm ganz freundlich gesagt, dass ich ihn gestern schon mal in Waldhausen gesehen hätte. Und da ist er mir sofort richtig übern Mund gefahren und hat gemeint, dies müsse ein Irrtum sein. Anschließend hat er mich keines Blickes mehr gewürdigt.«
    »Vielleicht war’s ein Irrtum«, wandte Sander vorsichtig ein.
    »Nein«, stellte die Oma energisch fest. »Absolut nicht.« Während die Kleinen nun an einer Türrahmenkante einen Tapetenzipfel abrissen und freudig erregt schrieen, kam die Dame einen Schritt auf Sander zu und flüsterte: »Da ist etwas faul, glauben Sie mir. Da ist etwas oberfaul.«
     
    Wühler war zu Tode erschrocken. Als die Tür seiner Werkstatt nach außen aufgezogen wurde, schossen ihm tausend Gedanken durch den Kopf. Der Mann mit dem Messer? Eine Bedrohung? Er allein auf dem Hof. Niemand würde jetzt seine Hilfeschreie hören. Und seine Frau kam erfahrungsgemäß erst in einer Stunde wieder zurück.
    Er versuchte nach einem Werkzeug zu greifen, irgendetwas, mit dem er sich würde wehren können. Doch dann ging alles ganz schnell. Die Tür schwenkte auf, mehr Tageslicht fiel in den stickigen Raum und in der Öffnung stand ein Mann, dessen Gesicht er nicht erkennen konnte, weil die Helligkeit von draußen blendete.
    »Guten Tag, Herr Wühler«, sagte der Mann. Doch Wühler war in diesem Augenblick nicht in der Lage, etwas zu sagen. Er schluckte und kniff die Augen zusammen. »Ich will Sie nicht lange von der Arbeit abhalten«, fuhr der Fremde weiter und hielt die Tür weit offen. Langsam gewöhnten sich Wühlers Augen an die Helligkeit. Er ging ein paar Schritte nach vorne, dem Mann entgegen. Dann endlich erkannte er ihn. Das Gesicht mit den vielen Falten. Dieser Tourismusmanager von gestern Mittag, der ihn und den Oberbürgermeister hatte sprechen wollen. Nur der Name wollte ihm nicht mehr einfallen.
    »Jetzt haben Sie mich aber überrascht«, presste der Landwirt hervor und reichte dem Besucher eine eiskalte und feuchte Hand. Wühler verließ die Werkstatt und spürte, wie weich seine Knie geworden waren. Der Besucher trug noch immer sein feines Jackett, das schon gestern nicht zur Umgebung gepasst hatte.
    »Was verschafft mir die Ehre?« fragte Wühler höflich nach, um seine Unsicherheit zu überspielen.
    »Ich hab’ in der Nähe übernachtet und mir gedacht, ich schau’ mir diese herrliche Gegend noch ein bisschen genauer an – jetzt, nachdem das Wetter wieder besser werden soll.«
    Wühler beobachtete ihn scharf. Als Albbauer hatte er gelernt, gegenüber allem Neuen

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