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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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unsinnige Weise. Europa ist eine wunderbare Einrichtung, weil es uns hier Frieden beschert hat. Aber die Bürokraten in Brüssel haben leider keine Ahnung, wie es fernab ihrer Schreibtische aussieht. Was kein Wunder ist, weil sie von ihren Papieren und Formularen stranguliert werden.«
    Wühler begann, mit einem Bierdeckel der Geislinger Kaiser-Brauerei zu spielen. Was Freudenthaler sagte, konnte er nur unterstreichen. Als Landwirt kannte er den Papierkrieg zur Genüge. Aber es war wie überall in diesem Lande: Immer mehr Bürokraten beschäftigten sich mit immer mehr Bürokratie. Ein Land, das sich nur noch verwaltet – das nur noch mit sich selbst beschäftigt war. Das galt nicht nur für die Politik und die Behörden, sondern längst auch für die gesamte Privatwirtschaft. Produktion war zur unangenehmsten Nebensache geworden. Hauptsache, die Papiere stimmten. Was tatsächlich in der Praxis geschah, scherte niemanden mehr. Wühlers Kollegen hatten ihre ohnmächtige Wut oft schon am Stammtisch drastisch zum Ausdruck gebracht: Mit der Mistgabel wollten sie mal durch die Amtsstuben fegen. Und irgendwann, da hatte Wühler längst keinen Zweifel mehr, würde es wirklich einer tun.
    »Und was schlagen sie nun konkret für uns vor?« hakte der Landwirt leicht in Gedanken versunken nach. Ihm war plötzlich wieder der Zettel mit der Drohung eingefallen.
    »Ganz konkret«, wiederholte sein Gast und wischte sich mit einem Papiertaschentuch Schweißperlen von der Stirn, »es sollten sich einige Männer mit Weitblick zusammentun und eine Strategie entwickeln, wie wir die Ressourcen hier oben vermarkten können. Die Landschaft, die Dampfzüge und die dörflichen Idyllen, die es hier noch gibt. Und ganz unter uns, Herr Wühler: Ihre schöne Besenwirtschaft hier ist ausbaufähig ...«
    Der Landwirt wurde hellhörig: »Und was versprechen Sie sich davon? Ich meine, Sie machen das ja auch nicht, weil Sie karitative Zwecke verfolgen.« Wühler lächelte, um diesem misstrauischen Einwand die Schärfe zu nehmen.
    Über das Gesicht Freudenthalers huschte ebenfalls ein Lächeln. »Sie sind Geschäftsmann – ich bin Geschäftsmann.« Er machte eine diskrete Pause. »Ich habe die Beziehungen – und daraus könnten Sie und dieses Gebiet hier Vorteile schöpfen. Was liegt da näher, als sich zusammenzutun? Und gemeinsam davon zu profitieren ...«
    »Sie denken an eine Gesellschaft? GmbH  für Tourismus?« Wühler hatte sofort begriffen. Sein Schweinestallprojekt war auf ähnliche Weise entstanden. Mehrere Großlandwirte hatten sich zusammengetan, um die Schweinemastproduktion effektiv und für alle Seiten wirtschaftlich zu organisieren. »Exakt«, bestätigte Freudenthaler, »ich liefere das Know-how, wie man heutzutage sagt, und Sie investieren – nicht in Form von Geld, sondern durch Initiative. Indem Sie – ich meine jetzt nicht Sie persönlich, sondern alle, die das gleiche Ziel verfolgen – indem Sie alle also in Arbeitskreisen prüfen, welche Einrichtungen für den Tourismus hier oben zu schaffen wären. Radwege haben Sie schon gekriegt. Aber ich bin sicher, dafür gäbe es noch mehr EU-Mittel. Denken Sie an ein Wandernetz, an geführte Touren, an Abenteuergeschichten im Wald. Abenteuer sind ›in‹.« Freudenthaler hatte sich gut vorbereitet. »Oder denken Sie an die Segel- oder Motorflugplätze in der näheren Umgebung, an die Ausflugslokale, an Ihre eigene Besenwirtschaft – und an ›Ferien auf dem Bauernhof‹, mein Gott, Herr Wühler, die Großstädter lieben doch dieses dörfliche Idyll. Wenn die das im Ruhrpott erst mal entdecken, können aus den leer stehenden Bauernhäusern beschauliche Pensionen und Hotels werden. Dafür gibt’s Subventionen. Hilfen für den Strukturwandel. Die Alb ist genau so karg, wie Lanzarote ...«
    Wühler gefiel das. Die Landwirte brauchten wieder eine Perspektive. Von den Kommunen war keine zu erwarten. Auch dort waren die Bürokraten viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt – abgesehen davon, dass sie überhaupt keinen finanziellen Spielraum mehr hatten, um etwas zu bewegen.
    »Ich schlage Ihnen vor, Sie bereden das mit Leuten, die in Frage kommen – und dann rufen Sie mich an.« Freudenthaler fingerte eine Visitenkarte aus einer Innentasche. »Ich habe noch einige Tage in der Gegend hier zu tun. Meine Handynummer steht hier drauf.«
    »Haben Sie denn schon Kontakt mit jemandem aufgenommen?« wollte Wühler wissen.
    »Es gibt hier einen Mann, der sich sehr stark engagieren möchte.

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