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Mordloch

Mordloch

Titel: Mordloch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Bomm
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Längst hatte er es aufgegeben, den Aufdrucken auf den Verpackungen zu glauben.
    Der Polo hatte jetzt die B 10 nach rechts in eine 20 km/h-Zone verlassen. Miele fuhr flott mit 40 durch, sodass einige Fußgänger respektvoll zur Seite sprangen.
    »Ich stimme Ihnen zu«, sagte Sander, »es ist erschreckend, wie wir mit Kreaturen und der Natur um uns rum umgehen.«
    Miele nickte eifrig. Er hatte stets nur pflanzliche Produkte aus angeblich garantiert biologischem Anbau gegessen. Seine eiserne Gesundheit führte er auf diese konsequent eingehaltene Ernährung zurück. Selbst wenn es bei Empfängen üppigste Büfetts gegeben hatte, konnte er sich zurückhalten. Er trank auch keinen Alkohol und hatte nie eine Zigarette angerührt.
    Deshalb war dieses Thema nahezu unerschöpflich. Sander war nicht grundsätzlich anderer Meinung, hatte aber keinerlei Bedürfnis, sich einer ähnlichen Abstinenz zu unterziehen.
    Die beiden Männer diskutierten noch immer über Vollwertkost und Müslis, als die Straße den Wald hinter sich ließ und die weite Hochfläche nun vor ihnen lag. Die Bewölkung hatte sich aufgelockert, vereinzelt war bereits wieder der blaue Himmel zu sehen. Das Örtchen Waldhausen tauchte auf, an nahezu allen Seiten überragt von den Windkraftanlagen.
    »Wo wollen Sie hin?« fragte Miele.
    Sander hatte im Telefonbuch nachgelesen, dass die Flemmings im neuen Wohngebiet ›Roßhülbe‹ wohnten. Natürlich wollte er nicht die Witwe des Toten aufsuchen. So etwas passte nicht zu einem seriösen Lokaljournalisten. Das würden die Jungs von den Boulevardblättern und den privaten Fernsehstationen tun.
    Der Polo holperte über die Eisenbahnschienen, die in weitem Bogen dicht am Ortsrand vorbeiführten. »Wir hören uns mal in dieser ›Roßhülbe‹ ein bisschen um«, entschied Sander, »und dann geh’n wir zu Wühler.«
    Miele kannte sich hier aus. In der beschaulichen Dorfmitte bog er rechts ab. Kein Mensch auf der Straße – es schien so, als sei das Örtchen ausgestorben. Einige größere landwirtschaftliche Anwesen ließen erkennen, dass sie noch genutzt wurden, andere waren offenbar zu Wohnhäusern umgebaut worden. Am Ortsrand tauchte rechts ein dicht bebautes kleines Siedlungsgebiet auf. Das frische Rot der Dächer und der Baustil mit Erkern und Gauben deuteten darauf hin, dass es vor noch gar nicht allzu langer Zeit entstanden war. Miele bog in die einzige Straße ein, die als Rundkurs das gesamte Gebiet erschloss. Er parkte den Polo.
    Die beiden Zeitungsleute stiegen aus und spürten, wie die Luft wieder wärmer wurde – sogar hier oben auf der Alb. Die schmalen Vorgärten wirkten gepflegt. Viel Platz war für sie allerdings nirgendwo übrig geblieben, nachdem an jedem Haus eine wenig formschöne Garage klebte.
    »Dort wohnen die Flemmings.« Der Journalist deutete auf ein schmuckes Gebäude, worauf der Fotograf seine Digitalkamera auspackte und es ablichtete. Sander ging unterdessen langsam weiter und hoffte, dass er irgendwo jemanden sehen würde. Doch Türen und Garagen waren zu und in den noch regennassen Gärten hielt sich niemand auf. Miele folgte mit umgehängter Fototasche. Nach einem halben Dutzend Hauslängen erreichten sie bereits das Ende des kleinen Siedlungsgebiets. Dort beschrieb die Straße eine Linkskurve. »Sollen wir mal irgendwo klingeln?« fragte der Fotograf, »es ist zwölf Uhr, da müsste doch jemand daheim sein.«
    Sander nickte. Er durchschritt einen kleinen Vorgarten und drückte den Klingelknopf. Im Innenraum ertönte ein elektronischer Gong. Gleich darauf öffnete eine junge Frau, sichtlich gestresst und von der Störung wenig erbaut.
    »Entschuldigen Sie«, begann Sander, »wir kommen von der ›Geislinger Zeitung‹ und sind wegen dem schrecklichen Verbrechen unterwegs. Wir wollten nur mal hören, was man in der Nachbarschaft zu dem Mord an Herrn Flemming sagt.«
    Das Gesicht der schwarzhaarigen Frau versteinerte sich. Ihr Blick ging zu Miele und dann wieder zurück zu Sander. »Ich halt’ mich da raus«, sagte sie energisch und begann, die Tür wieder zu schließen. Der Journalist wollte noch eine Erklärung nachschieben, doch die Frau ließ sich nicht umstimmen.
    Die beiden Männer zuckten verständnislos die Schultern. Derlei Verhalten kannten sie. Die Leute verschlangen zwar Berichte über Mord und Totschlag, wenn er sich anderswo zugetragen hat. Dann wollen sie nach Möglichkeit klitzeklein jedes Detail lesen. Doch wenn es sie selbst in irgendeiner Weise betraf, und sei’s

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