Mordloch
Vorgehen. Es soll unter allen Umständen der Eindruck vermieden werden, wir hätten was gegen Ausländer.«
Typisch Bruhn, dachte Häberle. Der Kripochef bei der Direktion in Göppingen scheute jegliches Aufsehen.
»Saudummes Geschwätz«, entfuhr es dem Kommissar, »ob Türken oder nicht – mir ist es völlig wurscht, wer hier Verbrechen begeht.« Es war nicht einfach, ihn aus der Ruhe zu bringen, aber wenn unterschwellig der Vorwurf im Raum stand, Ausländer würden härter angefasst, als Einheimische, konnte er aus der Haut fahren. Was konnte er dafür, dass Ausländer überproportional stark an Straftaten beteiligt waren? Sollte er diese Tatsache unter den Teppich kehren? »Egal, wer gegen Gesetze verstößt«, pflegte er dann zu sagen, »er wird verfolgt – ohne Ansehen seiner nationalen Zugehörigkeit. So weit ich weiß, ist es auf der ganzen Welt verboten, zu morden, zu vergewaltigen, zu erpressen, zu klauen und zu überfallen. Warum, bittschön, sollen wir dann nicht gegen jeden Straftäter hart vorgehen dürfen, egal, wo er herkommt?« Häberle bemerkte, dass er dies seinen Kollegen nicht zu sagen brauchte. Er ergänzte jedoch: »Falls Bruhn wieder etwas in dieser Richtung zu meckern hat, soll er es gefälligst mir persönlich sagen.«
Der Kommissar lehnte sich zurück und holte tief Luft.
»Ich bin sicher, etwas anderes stimmt Sie wieder versöhnlich«, begann Linkohr und schichtete einen Stapel Schmierzettel um. »Die Kollegen in Stuttgart haben ein halbes Wunder vollbracht.«
Häberle machte ein erstauntes Gesicht.
»Sie erinnern sich an diese Holzfaser an Flemmings Pullover? Sie haben nach langem Hin und Her rausgekriegt, um welche Holzart es sich handelt. Sie werden’s nicht glauben – um keine heimische.«
»Sondern?«
»Um eine australische Silbereiche.« Linkohr kostete diese Erkenntnis aus, als stamme sie von ihm.
»Eine was ... ?« Häberle schien nicht zu verstehen.
»Eine ›Grevillea robusta‹ – so der botanische Name. Hat farnartig gefiederte oder gelappte Blätter, ist anspruchslos und verträgt nur keine Staunässe«, berichtete Linkohr stolz.
»Und wo ... wo gibt es so was in der näheren Umgebung?« Der Kommissar schaute seine beiden Kollegen irritiert an.
»In der Wilhelma«, erwiderte Schmidt und zwirbelte an seinem Bart. »Die Stuttgarter Kollegen haben dort einen Botaniker zu Rate gezogen. Sei ein besonders hartes Holz.«
»Und wenn Sie mir jetzt noch sagen, dass in der Wilhelma so eine Eiche fehlt, dann haut’s mich vom Stuhl.«
»Damit kann ich Ihnen leider nicht dienen«, entgegnete Schmidt.
Das Rentnerehepaar saß im Dienstzimmer von Martin Rittmann, einem von zwei Beamten des Polizeipostens Am-
stetten.
»Die haben uns übel reingelegt«, wiederholte der ältere Herr immer wieder. Alles, was er und seine Frau zu beklagen hatten, war bereits in den Computer getippt worden. Der Uniformierte, der aufrecht und hünenhaft hinter seinem Schreibtisch thronte, hatte sich im Zweifinger-Suchsystem abgemüht und gegenüber den Besuchern immer wieder sein Mitgefühl zum Ausdruck gebracht. Ein üblicher Betrug, dachte Rittmann und wusste aus Erfahrung, dass die Suche nach den Schwindlern aussichtslos sein würde. Erstaunlich auch, wie leichtgläubig die Menschen waren. Kamen da zwei Türken daher und behaupteten, der teure Teppich im Wohnzimmer sei fehlerhaft und müsse umgetauscht werden. Was sie dann auslegen, ist ein industrielles Billigprodukt, das nicht mal zehn Prozent des ausgetauschten Teppichs wert war. Rittmann hatte von solchen Tricks schon einmal gelesen. Entweder steckten die Täter unter einer Decke mit dem Teppichgeschäft, in dem Türkeiurlauber ein wertvolles Stück gekauft und es sich an ihre Heimatadresse hatten schicken lassen. Oder es waren kriminelle Angestellte, die die Kundenadressen an ihre Komplizen in Deutschland weitergaben.
»Wir werden unser Möglichstes tun«, versprach der Postenbeamte von Amstetten und steckte die Visitenkarte, die die Betrüger den Geschädigten hinterlassen hatten, in ein Kuvert. Im Protokoll war alles festgehalten: Dem Ehepaar waren Zweifel an der Seriosität der Teppichvertreter gekommen, als diese sich verabschiedet hatten. Die beiden Rentner hatten sich deshalb an einen Bekannten gewandt, dem mit einem Blick auf den umgetauschten Teppich der Schwindel klar gewesen war.
»Bekommen wir Bescheid, wenn Sie die Kerle geschnappt haben?« fragte die Frau.
Der Beamte lächelte beruhigend. »Aber ganz
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