Mordloch
setzte sich der Anführer neben Sarah aufs Bett. Erst jetzt erkannte sie, dass die Männer durchsichtige Plastikhandschuhe trugen. »Kindchen«, begann der Anführer beruhigend, »dir geschieht nichts, wenn du tust, was wir dir sagen.«
Sie schwieg und blieb reglos sitzen. Ihre Haare hingen über Schulter, Rücken und Brust. »Du musst hier weg – das ist auch in deinem Interesse«, erklärte er, während sich seine beiden Komplizen über die Kleidungsstücke hermachten und sich darüber amüsierten, ob ein Minikleidchen oder eher Hotpants angebracht wären. Sie entschieden sich offenbar für kurze, ausgefranste Jeans, die sie auf die unbenutzte Seite des Ehebetts warfen. Der schweigsame Mann, der offenbar der deutschen Sprache nur wenig mächtig war, zog eine ärmellose Bluse, die auf einem Kleiderbügel hing, aus dem Schrank.
»Das Model kann antanzen«, höhnte der Schnauzbärtige, »Slips haben wir auch gefunden.«
Der Anführer drehte sich zu seinen Komplizen um: »Packt auch noch was anderes ein. Die Reise ist weit.«
Sie begannen, auch ein Kleid, mehrere lange Hosen und drei Pullover, Unterwäsche und Blusen aus dem Schrank zu nehmen und in zwei Sporttaschen zu stopfen, die sie draußen in der Diele gelassen hatten.
Der Anführer packte Sarah unsanft an den Handgelenken, bog die Arme auseinander und zerrte sie vom Bett. »Ich will keinen Ton hören«, drohte er, »meine Jungs verstehen da keinen Spaß.« Er lächelte sie an, doch sie schwieg und blickte ihm hasserfüllt in die dunklen, giftigen Augen.
»Anziehen«, fauchte der Schnauzbärtige und nahm die Gelegenheit wahr, die jetzt vor ihm stehende nackte Frau langsam von unten bis oben zu begutachten. »Chef«, begann er noch einmal, »ein paar Minuten müssen drin sein ...«
»Schnauze, sag’ ich«, fuhr ihn der Anführer an, »später ... vielleicht.«
Sarah schluckte. Obwohl sie den Wortführer hätte umbringen können, war sie ihm andererseits dankbar, dass er sie vor diesem Lüstling beschützte. Sie streifte sich den weißen Slip über, dann die Bluse und zuletzt die ausgefransten Jeans, die äußerst kurz waren und die sie normalerweise nur an heißen Sommertagen zu Hause getragen hatte.
»Schuhe? Wo sind Schuhe?« fauchte der Schnauzbärtige.
Sarah ging wortlos in die Diele, gefolgt von zwei der Männer, und deutete auf ein Schränkchen. Der Wortkarge zog Schubladen auf und warf mehrere Paar Schuhe heraus. Einige davon wurden ebenfalls in Sporttaschen verstaut. Der Schnauzbärtige griff zu hochhakigen, schmalen Schuhen und stellte sie Sarah vor die langen Beine. »Los, rein«, zischte er. Sie zwängte ihre nackten Füße in die teuren Stöckelschuhe.
Die Männer umstanden ihr Opfer und zeigten sich zufrieden: »Affengeil«, meinte der Schnauzbärtige, »wird ein teures Pferdchen.«
Sarah kämpfte mit den Tränen.
»Aufräumen, los«, befahl der Anführer seinen beiden Komplizen. »Es muss so aussehen, als ob sie abgereist sei.«
Der Wortkarge schüttelte die Betten und machte sie zurecht, die Schranktüren wurden geschlossen. Unterdessen blieb der Wortführer bei der Frau, die am ganzen Körper zitterte. »Pass’ auf«, herrschte er sie an, »wir bringen dich an einen sicheren Ort – und zwar mit deinem Wagen. Wo sind die Fahrzeugschlüssel?«
Sie schwieg und steckte die ausgestreckten Hände in die engen Hosentaschen.
»Hast du nicht verstanden?« fuhr er sie in verschärfter Tonlage an.
Doch Sarah schwieg weiter. Ohne Vorwarnung verpasste ihr der Mann eine kräftige Ohrfeige – so heftig, dass die junge Frau ins Taumeln geriet, gegen eine Tür krachte und zu schluchzen begann. Die beiden Komplizen kamen aus dem Schlafzimmer heraus. »Oh, muss das Kindchen noch erzogen werden ... ?« höhnte der Schnauzbärtige und wandte sich an seinen Chef: »Fesseln?«
Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Nur Knochen brechen, wenn sie nicht augenblicklich sagt, wo die Wagenschlüssel sind.«
Der Schnauzbärtige trat an sie heran. »Hast du nicht gehört, was der Chef befiehlt?«
Sie schluchzte und deutete auf einen weiteren Schrank. Sofort öffnete der Wortkarge eine Schublade und entdeckte den Schlüsselbund für den Dreier-BMW.
»Na also«, atmete der Chef auf und wandte sich an Sarah, deren linke Wange sich knallrot verfärbt hatte. »Wo geht’s zur Garage?«
Ihr Widerstand schien gebrochen. Sie deutete auf eine Tür an der Querseite der Diele.
»Einladen«, herrschte der Anführer seine Komplizen an und zeigte auf die prall
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