MORDMETHODEN
sich zum Ankauf von Großmarktanteilen von einem Arbeitskollegen geliehen – bar, in Tausend-Mark-Scheinen.
Der Kollege bestätigt die Aussage. Allerdings wundert die Kriminalisten, dass die Kommode, in der das Geld lag, wie unberührt erscheint. Das Geld ist trotzdem verschwunden, ebenso wie zwei teure Rolex-Uhren. Nicht nur mit der Kommode gingen die Übeltäter vorsichtig um, auch die Wäsche haben sie in ordentlichen Stapeln aus den Schränken herausgenommen und auf das Bett gelegt. Und den Tresor im Keller haben sie noch nicht einmal angerührt, obwohl der Schlüssel – uraltes Versteck – auf einem Heizungsrohr in der Nähe liegt. Auch an der Haustür finden sich keine Einbruchspuren. Das Werk von Amateuren oder besonders gewitzten Profis?
Eine glückliche Ehe, ein geparktes Auto und eine Liebesdienerin
Susannes Eltern und auch Hans-Jürgen schildern der Polizei die zehnjährige Ehe als einwandfrei. Nicht einmal fremdgegangen seien die beiden. Größere Lebensversicherungen haben sie angeblich auch nicht abgeschlossen; niemand erzielt durch den Tod des anderen einen auffallenden Bargeldgewinn.
Hans-Jürgen scheint eine weiße Weste zu haben. Selbst bei einem plötzlichen Wutausbruch könnte er die Tat nicht begangen haben: Die Fahrt vom und zum Großmarkt dauert knapp eine Stunde; außerdem wäre seine Abwesenheit dort aufgefallen, weil der frühe Morgen die Hauptgeschäftszeit darstellt. Abgesehen davon stand sein Wagen in der Werkstatt.
Dennoch mussten die Täter irgendeine Verbindung zu Susanne oder ihrem Mann haben. Wer sollte sonst frühmorgens eine Kindergärtnerin mitten in einer friedlichen Wohngegend ermorden? Oder hatten die Täter es eigentlich auf Hans-Jürgen abgesehen, aber dessen Lebensgewohnheiten falsch ausgekundschaftet? Schon am folgenden Tag, dem Donnerstag, lässt eine routinemäßige Auswertung der Telefonanschlüsse aller Betroffenen die Beamten der Mordkommission stutzen. Am Tag vor der Tat hat Hans-Jürgen 17-mal in einem Wohnungsbordell und einige weitere Male in anderen Bordellen angerufen. Sie gehören alle demselben Besitzer, und der ist allgemein für seine guten Kontakte zur Unterwelt Osteuropas bekannt.
Doch die Sache wird noch merkwürdiger. Der Werkstattmeister berichtet, Tests hätten ergeben, dass Hans-Jürgens Auto völlig in Ordnung war. Statt den Wagen aber wieder abzuholen, habe sich der Kunde nur die Autoschlüssel und Papiere aushändigen lassen und sei dann zu Fuß fortgegangen. Am Donnerstag stellt sich auch heraus, dass Hans-Jürgen 1995 zusammen mit einer unbekannten Frau Urlaub in der Karibik machte. Diese Frau stellte er als seine Gemahlin vor, was aber nach Aussage von Susannes Eltern ausgeschlossen war. Ihr Schwiegersohn sei zu dieser Zeit allein auf Geschäftsreise und nicht in Urlaub gewesen.
Weitere Ermittlungen am Wochenende ergeben neue Unklarheiten und bringen Hans-Jürgen weiter ins Zwielicht. In dem Bordell, in dem er so oft angerufen hatte, gibt die Pros-tituierte Beata an, den Mann (Hans-Jürgen) auf dem ihr vorgelegten Foto nicht zu kennen. Eine Kollegin aus dem Nachbarhaus sagt genau das Gegenteil: Der Mann sei Beatas Stammfreier. Daraufhin nimmt der Haftrichter an einer weiteren Befragung von Hans-Jürgen teil. Dieser wirkt unsicher, legt sich in seinen Aussagen nicht fest und verwickelt sich immer öfter in Widersprüche, die er hinterher nicht aufklären kann. Er wird verhaftet, obwohl er seine Frau unmöglich umgebracht haben kann.
In den folgenden Wochen ergeben sich weitere interessante Spuren. Eine Verkäuferin aus Hameln erinnert sich, Hans-Jürgen zwei Rolex-Uhren verkauft zu haben. Die Echtheits- und Garantiezertifikate hat er bereits bei der Polizei für die Versicherung eingereicht. Die Verkäuferin weiß aber noch mehr. Eigentlich wollte ein »Südländer« die Uhren bezahlen, doch die Verkäuferin akzeptierte dessen Scheck nicht.
Der »Südländer«, ein Grieche, wird kurz darauf ermittelt: Er ist ein ehemaliger Großmarktkunde von Hans-Jürgen und besitzt die beiden Rolex-Uhren. Das vorgestreckte Geld hatte er Hans-Jürgen sofort wiedergegeben. Im Übrigen hat der Grieche seit langem nichts mehr von dem freundlichen Großmarktmitarbeiter gehört. Ach ja, die Zertifikate wollte ihm Hans-Jürgen noch nachsenden, was er aber offenbar vergessen hatte.
Nun wird es für Hans-Jürgen gefährlich. Er hatte immer erzählt, seine Uhrensammlung sei um die 100 000 Mark (51 129,19 Euro) wert. Nach dem Raub hatte er aber nur die Belege
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