MORDMETHODEN
für die beiden Rolex-Uhren des Griechen eingereicht. Wo sind die Quittungen für die übrigen Zeitmesser? Die Antwort ist überraschend: Bei Hans-Jürgens Uhren handelt es sich um Fälschungen; in Wirklichkeit hat er sein Geld nicht in Uhren, sondern in Frauen investiert. Ab 1992 können ihm längere Kontakte zu etwa 20 Frauen, darunter zahlreiche Prostituierte, nachgewiesen werden. Sie alle berichten, dass Hans-Jürgen ein Angeber und Prahler sei, der sein Geld für sie verschleudert hätte.
Nun werden alle Aussagen des Untersuchungshäftlings erneut überprüft. Als einer der Kriminalbeamten beim Großmarkt nachfragt, was es mit den 27 000 Mark (13 804,88 Euro) auf sich habe, die Hans-Jürgen angeblich in der Schublade für Geschäftsanteile bereithielt, herrscht am anderen Ende der Leitung Schweigen. Anteile in dieser Größenordnung standen gar nicht zum Verkauf. Zwei Tage vor der Tat hat Hans-Jürgen bloß einen einzelnen Anteil gekauft – für 2000 Mark (1022,58 Euro).
Phantom-Stricher Frank
Obwohl all das von einem unsteten Leben zeugt, hat sich die Schlinge noch lange nicht um den Hals des Hallodris gelegt. Denn bei den Ermittlungen geht es um eine Tötung und nicht um Finanzunregelmäßigkeiten. Ein anderes Problem hat Hans-Jürgen aber doch. Er kann nicht erklären, warum er zwei Tage vor der Tat ein Hotelzimmer in Hannover buchte.
An jenem Tag hatte er nachmittags um halb drei Uhr telefonisch ein Doppelzimmer mit Frühstück bestellt. Schon 40 Minuten später war er im Hotel, unterschrieb das Anmeldeformular und – ging wieder. In »seinem« Zimmer wurde aber um Viertel nach sechs abends ein TV-Bezahlkanal eingeschaltet. Am kommenden Tag, also einen Tag vor der Tat, gab außerdem irgendjemand um Viertel nach elf Uhr morgens den Zimmerschlüssel zurück. Für wen hatte Hans-Jürgen das Zimmer gebucht? Seine Erklärung ist abenteuerlich.
An diesem Tag sei er frühnachmittags umhergestreift und dabei am Bahnhof von einem Stricher namens Frank angesprochen worden. Weil ihm ein Dreier in seinem Lieblingsbordell an diesem Tag zu teuer gewesen sei, habe er Frank mit ins Hotel genommen. Dieser habe anschließend dort übernachtet. Ein Phantombild des Strichers wird in der Szene, auch in anderen Städten, herumgezeigt. Doch niemand hat Frank jemals gesehen. Seltsam ist auch, dass Hans-Jürgen eigentlich ein streng heterosexuelles Doppelleben führt. Seine Stricher-Geschichte wirkt daher dünn und unglaubwürdig. Als sich herausstellt, dass er um Viertel vor fünf, also während des angeblichen Schäferstündchens, an einem Automaten auf dem Großmarkt Geld abgehoben hat, bricht seine Lüge endgültig in sich zusammen.
Der Knoten in den Ermittlungen beginnt sich weiter zu lösen, als die Polizisten einer Telefonnummer in Lettland nachgehen, die Hans-Jürgen bis zum Abend vor der Tat mehrmals angerufen hat. Der Anschluss gehört einer Prostituierten namensSolvita. Sie hat eine Zeit lang in der Nähe von Hannover gearbeitet, wurde dann aber abgeschoben. Eine heiße Spur, die vielleicht erklärt, aus welchem Grund in diesem Fall immer wieder Verbindungen nach Osteuropa auftauchen.
Doch dann kommt der Knall: Im Juli 1998 muss das Oberlandesgericht Celle den Haftbefehl gegen Hans-Jürgen aufheben, weil kein dringender Tatverdacht gegen ihn bestehe. Die Polizei knirscht mit den Zähnen, muss aber letztlich zugeben, dass Hans-Jürgen seine Frau vom Großmarkt aus nicht erschossen haben kann – egal, wie viele Lügen er auftischt.
Beata ist sauer
Hans-Jürgen macht es sich daheim wieder gemütlich, schwelgt in allerlei Frauenbeziehungen und geht wieder arbeiten. Kommissar Zufalls kleiner Bruder hat aber ein Einsehen und lenkt die Schritte der Ermittler wegen eines anderen Falls noch einmal zu der Prostituierten Beata. Am Rande erwähnt sie, dass Hans-Jürgen ihr noch Geld schulde. Sie musste wegen der Ermittlungen gegen ihn, bei denen sie zwischenzeitlich in Untersuchungshaft genommen worden war, einen Anwalt bezahlen. Die Kosten dafür sollte ihr Freier erstatten; so war es ausgemacht. Doch der rückte das Geld nicht heraus. Im Gegenteil, Hans-Jürgen machte Beata Vorwürfe: »Das habe ich alles nur für uns gemacht!«
Einige Tage später verriet er Beata, dass »die Sache« schon viel früher geplant war. Doch damit konnte Hans-Jürgen bei ihr keine Punkte sammeln. Sie wollte Geld. Beata erzählt die Geschichte dem Haftrichter – und der »perfekte Mörder« saß in seiner eigenen Falle.
Der Richter fragt
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