MORDMETHODEN
Pfennig, dann spielen sich oft Szenen ab, dass Gott erbarm’ … Unglückliche Opfer schlechter Verhältnisse.«
Das elfte, umfangreichste Kapitel in Mein Kampf , das die Überschrift »Volk und Rasse« trägt, beginnt im Gegensatz dazu mit einer neuen Erkenntnis: »Es gibt Wahrheiten, die so sehr auf der Straße liegen, dass sie gerade deshalb von der gewöhnlichen Welt nicht erkannt werden. Sie geht an solchen Binsenwahrheiten manchmal wie blind vorbei und ist auf das Höchste erstaunt, wenn plötzlich jemand entdeckt, was doch alle wissen müssten. Es liegen die Eier des Kolumbus zu Hunderttausenden herum, nur die Kolumbusse sind eben seltener zu treffen.«
Genauso »blind« war Hitler gewesen. Doch nun wurde der Parteiführer sein eigener Kolumbus, und trotz seines »Mangels an Schulen«, wie er es nannte, griff er eine Binsenweisheit auf: die Verbesserung des Erbgutes durch gezielte Paarung.
Hitler war ein gewiefter Schreiber und verpackte das Ganze in eine derart bestechende Logik, dass selbst heutige Schüler die grundsätzlichen Denkfehler meist nicht entlarven, die dahinter stecken. »Jedes Tier«, heißt es im elften Kapitel, »paart sich nur mit einem Genossen der gleichen Art. Meise geht zu Meise, Fink zu Fink, der Storch zur Störchin, Feldmaus zu Feldmaus, Hausmaus zu Hausmaus, der Wolf zur Wölfin usw. … Jede Kreuzung zweier nicht ganz gleich hoher Wesen gibt als Produkt ein Mittelding zwischen der Höhe der beiden Eltern.
Das heißt also, das Junge wird wohl höher stehen als die rassisch niedrigere Hälfte des Elternpaares, allein nicht so hoch wie die höhere. Folglich wird es im Kampf gegen diese höhere später unterliegen …
Wäre der Vorgang ein anderer, würde jede Weiter- und Höherbildung aufhören und eher das Gegenteil eintreten. Denn da das Minderwertige der Zahl nach gegenüber dem Besten immer überwiegt, würde bei gleicher Lebenserhaltung und Fortpflanzungsmöglichkeit das Schlechtere sich so viel schneller vermehren, dass endlich das Beste zwangsweise in den Hintergrund treten müsste. Eine Korrektur zugunsten des Besseren muss also vorgenommen werden.«
Vielen Menschen erschienen damals solche Annahmen als sehr nahe liegend und nachvollziehbar. Sie sind aber falsch. Denn erstens gibt es naturwissenschaftlich keine streng abgrenzbaren Rassen, und vor allem gibt es unter allen Menschengruppen keine per se stärkeren und schwächeren.Denn was soll in diesem Zusammenhang stärker oder schwächer heißen?
Zweitens gelten für die Paarung von Menschen andere Regeln als zwischen verschiedenen Tierarten, denn alle Menschen gehören zur selben Art. Schon Hitlers Herleitung von den Meisen und Wölfen ist also Unsinn.
Drittens sind die meisten Erbanlagen nicht sichtbar, das heißt, sie werden auf eine Weise vererbt, die aufgrund äußerer Merkmale eines Menschen nicht vorhersagbar ist.
Und viertens, das hatte selbst Hitler im Lauf von zwei Jahren Schreibarbeit vergessen, bestimmt die Umwelt viele der Eigenschaften, die Rassegläubige gerne der Vererbung zugeschrieben hätten. Ehre, Liebe und Glauben lassen sich nicht durch Kreuzung züchten. Das scheinbar schlüssige Denkgebäude der Menschenzüchter fällt so in sich zusammen.
Die hölzernen Hinweise auf »Paarfindung« und »Art« sind besser zu verstehen, wenn man sich klar macht, dass in jener Zeit der Glaube verbreitet war, Menschengruppen könnten sich genetisch »veredeln«. Die Regeln der klassischen Genetik schienen darauf hinzudeuten, dass es durch die Paarung bestimmter Menschen gelingen müsste, als besser geltende Eigenschaften herauszuzüchten. Zwar stimmte das für Erbsen, Hühner und Kaninchen, aber nur sehr eingeschränkt für Menschen. Lindbergh glaubte jedenfalls, dafür die richtige Partnerin gefunden zu haben. Nur eines wusste er nicht: dass es – sowohl für den Körper als auch für den Geist – zwischen gesund und ungesund oder edel und unedel viele Zwischenstufen gibt.
Im Herbst 1929 wurde Anne Lindbergh schwanger. Sie bewältigte mit ihrem Gemahl noch einen strapaziösen Rekordflug von Los Angeles nach New York und zog im Mai 1930 nach Englewood in New Jersey. Am 22. Juni 1930, es war Annes Geburtstag, kam Charles Lindbergh jun. zur Welt. Obwohl die Presse sehnsüchtig auf diese Neuigkeit gewartet hatte, verrieten die Lindberghs erst zwei Wochen später, dass die Geburt stattgefunden und das Kind gesund und munter war.
Lindbergh entwickelte sich derweil zum Geschäftsreisenden. Er hatte genügend
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