MORDMETHODEN
Geld, Zeit und Neugier, um mit Aktien zu spekulieren, sich in New Yorker Forschungslabors umzusehen und neue Taten zu planen. Eine davon war wiederum ein Flug, dieses Mal über die Sowjetunion und Japan nach China. US-amerikanische Geschäftsleute hofften, Lindbergh könne auf dieser Tour gute, neue Luftwege für den Handel erschließen. Auch aus diesem Grund war die Finanzierung der Reise mit dem neuen Flugzeug »Sirius« kein Problem. Etwas schwieriger war, dass Lindbergh auf Annes Begleitung bestand. Das Abenteuer dauerte von Ende Juli bis Anfang Oktober 1931. Als Annes Vater plötzlich starb, brach Lindbergh schweren Herzens die Tour ab. Und dann begannen die Probleme.
Die Lindberghs wohnten an den Wochenenden in einem anderen Haus, nämlich in Hopewell. Montags morgens fuhrLindbergh von dort aus nach Manhattan zur Arbeit, während Anne mit dem Baby in das Haus in Englewood fuhr. Dort trafen sich Anne und Charles abends wieder. Das Kindermädchen Betty Gow hatte am Wochenende frei und arbeitete daher normalerweise nur in Englewood.
Am 29. Februar 1932, einem Montag, stellte Lindbergh den Wohnplan für die Woche um. Er rief seine Frau zweimal an und bat sie, in Hopewell zu bleiben. Das Wetter sei schlecht, und da das Kind Schnupfen habe, sei der Transport nach Englewood keine gute Idee. Anne tat, wie ihr der Familienvorstand geheißen. Ausnahmsweise trat das Kindermädchen an diesem Montag seinen Dienst daher in Hopewell an. Lindbergh selbst verbrachte den Montagabend aber nicht bei seiner Familie, sondern in Englewood.
Vielleicht fand er es dort gemütlicher; außerdem war das Haus von Manhattan aus bequemer zu erreichen. Immerhin gab es in dem neu errichteten Haus in Hopewell, in dem nun der Rest der Familie samt Kindermädchen zwei Tage länger wohnte, noch nicht einmal Gardinen. Das störte die Lindberghs nicht weiter, denn das Haus war sehr abgelegen. In jenen Tagen gab es auch noch keine Paparazzi, und es galt als unanständig, sich auf das Privatgelände eines Helden zu schleichen. Abgesehen davon konnten die Fenster im neuen Haus mit Fensterläden verriegelt werden. Genauer gesagt, alle Fensterläden außer dem des Babyzimmers. Zwar konnten dessen Läden vor das Fenster geklappt, aber nicht eingehakt werden, da der Riegel verbogen war.
Auch am Dienstag, dem 1. März, regnete es ununterbrochen. Als der Regen sich abends langsam legte, kam Wind auf. Um sechs Uhr begann Betty, den kleinen Charles bettfertig zu machen. Sie fütterte ihn und rieb ihm die Brust mit der auch heute noch beliebten Minzsalbe für freie Atemwege ein. Zwischen sieben und halb acht Uhr brachten Anne und das Kindermädchen den Jungen ins Bett; eine halbe Stunde später sah Betty noch einmal nach dem Rechten. Charles Lindberghjun. ging es, abgesehen vom Schnupfen, blendend; er schlief friedlich in einem Flanellhemdchen. Seine Daumen hatte das Kindermädchen in kleine Metallröhrchen gesteckt, um den Jungen am Fingerlutschen zu hindern.
Eine halbe Stunde später hupte ein Auto vor der Tür. Lindbergh war heimgekommen, rund 45 Minuten später als sonst. In der Wiedersehensfreude fragte niemand, wo der Colonel so lange geblieben war.
Obwohl er seinen Sohn seit Montagmorgen nicht gesehen hatte, ließ Lindbergh den Kleinen schlafen und ging nicht in dessen Zimmer. Telefonisch hatte er den Frauen zuvor verboten, nach dem Zubettbringen erneut ins Zimmer seines Sohnes zu gehen; das störe den kranken Jungen bei der Heilung seines Schnupfens. Der Colonel aß nun in Ruhe und zog sich dann mit seiner Gattin kurz ins Wohnzimmer zurück. Der Wind heulte mittlerweile gewaltig um die Ecken des Hauses und in den Bäumen auf dem einsamen Gelände. Auf einmal fragte Lindbergh seine Frau: »Hörst du das?« Aber Anne hörte nichts außer dem Brausen der Natur.
Wie es sich bei einem solchen Wetter gehört, legte sich Lindbergh erst einmal in die Wanne, übrigens gleich neben dem Kinderzimmer. Er hielt sich aber an die eigene Regel und betrat den Raum mit dem schlafenden Kind nicht. Danach ging er in sein Arbeitszimmer im Erdgeschoss, während sich Anne in der ersten Etage im Schlafzimmer aufhielt.
Auch der Lindbergh’sche Hund Wagoosh streunte friedlich durchs Haus. Er war den ganzen Tag ruhig gewesen und gab auch jetzt keinen Mucks von sich. Das war kein Wunder, denn er bellte nur fremde Menschen an, diese aber mit größtem Eifer. Es waren aber keine Fremden im Haus, nur noch das alte Ehepaar Whatley. Die beiden alten Leute waren Butler und Koch
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