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MORDMETHODEN

MORDMETHODEN

Titel: MORDMETHODEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Benecke
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einem Mal fiel den Polizisten auf, dass eine der Leisten abgesägt war. Das ergab keinen Sinn, brachte die Polizei aber auf die Idee, an dieser Stelle nach dem Lösegeld zu suchen. Sie fanden zwar keines, besorgten sich aber Leiterstück Nummer 16, um zu sehen, ob es in die Lücke passte. Es passte nicht ganz, denn es war zu klein. Ein Glück, dass es die vier Nagellöcher als Orientierung gab. Sie passten haargenau auf vier Löcher in den darunter liegenden Querbalken. Auch die Maserung von Holzstück 16 ließ sich über die immer noch fehlende Lücke hinweg auf einem Blatt Papier einwandfrei mit Hauptmanns Dielenbrettern zum Anschluss bringen. Sogar die Jahresringe auf der Schmalseite des Holzes schlossen genau aneinander. Zudem erzeugte die Klinge eines Hobels aus Hauptmanns Werkstatt genau dieselben Schartenspuren, die an den notdürftig glatt gehobelten Bereichen der Leiter festgestellt worden waren.
    Leiterstück Nummer 16, gefunden in einer windigen Nacht in Hopewell, New Jersey, stammte also mit absoluter Sicherheit vom Speicher der Familie Hauptmann in der Bronx, New York.
    Die Beweise waren zu belastend, und daher zog die Verteidigung lieber ihre Show ab. Als Koehler am fünften Prozesstag seine unumstößlichen, kriminalistisch durch nichts anderes als die Mittäterschaft Hauptmanns erklärbaren Sachbeweise vortrug, versuchten die Anwälte, die Glaubwürdigkeit des Sachverständigen in Zweifel zu ziehen.
    »Unter allen Menschen auf der Erde«, versuchte Hauptmanns Verteidiger darzulegen, »gibt es nicht einen einzigen, der ein Holzexperte wäre. Diese Wissenschaft ist von keinem Gericht je anerkannt worden, und sie liegt nicht auf einer Ebene mit Handschriftenexperten, Fingerspurensachverständigen oder Ballistikern … Der Zeuge [Koehler; M. B.] kann vielleicht als erfahrener Schreiner oder etwas Ähnliches hier auftreten, aber wenn er versucht, seine Meinung als zugelassener Holzsachverständiger einzubringen, ist das etwas anderes… Dieser Mann kennt sich nur mit der Untersuchung von Bäumen aus, er kann beispielsweise die Rinden und einige andere Sachen auseinander halten … Die Meinung der Juroren ist gerade so gut wie seine Meinung. Die Juroren sind ebenso geeignet, ihr Urteil zu treffen.«
    Je inhaltlich falscher der anwaltliche Unsinn, desto wichtiger der Zeuge. Hauptmanns Verteidiger gibt offen zu, dass er die Jury für sich gewinnen möchte. Das ist in Ordnung, denn dafür wird er bezahlt. Er verdreht aber die Tatsachen, wenn er behauptet, die Jury könne ebenso gut entscheiden wie der Sachverständige. Es entscheidet ohnehin nur die Jury. Edward Reilley zog auch außerhalb des Gerichtssaals alle Register, die er sich vor dem Richter nicht leisten konnte: »Was für ein Zeuge«, rief er beispielsweise aus, »einer, den sie aus dem Wald geholt haben!«
    Doch es half nichts. Selbst Hauptmann, der eine gute Erklärung dafür hatte, woher das Geld kam (von Isidor Fish), und wusste, dass die Handschriftengutachten kein sinnvolles Ergebnis erbracht hatten, kam ins Schwitzen. Er stritt nicht nur ab, das Brett aus seinem Speicherboden gesägt zu haben, sondern auch, dass die Leiter eine Leiter war. »Sieht aus wie ein Musikinstrument«, meinte er vor Gericht.
    Sie wissen nun, warum Bruno Hauptmann der einzige Mensch ist, der die Tat, aus kriminalistischer Sicht und nach richterlicher Bewertung, begangen haben kann. Wer anders als er hätte die Leiter bauen sollen – mit seinen Werkzeugen und einem Stück Holz aus dem Fußboden seines Speichers? Und wer hätte in dieser Leiter Holz verbauen können, das drei Monate vor dem Verbrechen an eine Holzhandlung geliefert worden war, die nur zehn Häuserblocks von Hauptmanns Wohnung entfernt lag?
    Noch nicht einmal die Feststellung, das herausgesägte Brett vom Speicherboden sei eineinhalb Millimeter dicker als die anderen Bretter, wie die Verteidigung behauptete, stimmte. Das Brett war zwar uneben, aber nur deshalb, weil es nochnicht vollständig ausgetrocknet war, als es auf die Planken genagelt wurde.
    »Wissenschaftliche Methoden«, schrieb Arthur Koehler 1948 in einem Bericht an seine Vorgesetzten, »sollten im Lichte dieses Falls vielleicht bei Kriminalfällen häufiger zum Einsatz kommen.«
    So ist es geschehen. Auch die Wissenschaft von den Pflanzen hat mittlerweile ihren Weg in die Gerichtssäle gefunden und wird heute, wann immer notwendig, gerne und oft zum großen Erstaunen der Verteidiger eingesetzt.
    Warum Lindberghs Hund in Hopewell nicht

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