MORDMETHODEN
nach Hause gebracht hatte, vermochte Dahmer allerdingsnicht zu töten – der Hund hatte ihn mit großen Augen angesehen und vermutlich an Frisky erinnert, den Hund seiner Kindheit – »Jeffs größte Liebe«, so sein Vater.
»Mein Gott!«, riefen im Jahr nach dem Dahmer-Prozess die Journalisten Robert Dvorchak und Lisa Holewa. »Keinem Horrorspezialisten würde man eine solche Schreckensvision abnehmen.« Das stimmt. In einem Roman würden Dahmers Taten so übertrieben scheinen, dass es schon wieder langweilig wäre. In der Wirklichkeit blenden wir derlei Taten als pure Möglichkeit aus. Denn was würde geschehen, wenn wir hinter jedem Hemd und Scheitel tragenden Menschen einen Serientäter vermuten müssten?
Dahmer selbst sagte von sich während der Verhandlung: »Da draußen habe ich nie einen Sinn im Leben gefunden. Hier im Gerichtssaal werde ich ihn aber garantiert auch nicht finden. Das alles ist einfach das große Finale eines vergeudeten Lebens, und das Endergebnis ist vollkommen deprimierend … Es ist einfach eine kranke, klägliche, elende, erbärmliche Lebensgeschichte, sonst nichts. Wie das alles irgendwem nützen soll, weiß ich auch nicht.«
Dass aber auch Priester von den ewigen menschlichen Übeln – Hass, Neid, Gier, Missgunst – befallen sein können, erscheint den meisten Menschen unwahrscheinlich. Natürlich ist das ein Irrtum. Er beruht auf einem Vorurteil, allerdings einem freundlichen. Der Unsinn unseres Urteils liegt darin, dass wir Priester nicht in ihrer seelischen Vielgestaltigkeit betrachten, sondern schlicht und einfach als »gute Menschen«. Begeht ein Priester ein Verbrechen, so entsteht ein scheinbar berichtenswerter Kontrast, der in Wirklichkeit aber nichts anderes abbildet als Schwächen, die alle Menschen betreffen. Einige Zeitungsmeldungen sollen das belegen.
In der Rheinischen Zeitung (die sich dem »Wohl der Arbeiter« verpflichtet fühlte und daher gerne gegen Würdenträger aller Art stichelte) finden sich zwischen 1900 und 1902 diese Meldungen:
»Der Priester Daniel Carcano aus Mailand hatte mehrfach schwere Sittlichkeitsdelikte begangen. Er flüchtete sich nach Lugano (Kanton Tessin) und wurde von dem Mailänder Gericht in Abwesenheit zu elf Jahren Zuchthaus verurteilt. In Lugano wohnte er monatelang unbehelligt: Er gab sich dort als Opfer des Mailänder Aufstandes aus. Als die italienische Regierung beim schweizerischen Bundesrat die Auslieferung des geistlichen Verbrechers verlangte, protestierte Letzterer dagegen, indem er die Anklage auf das Betreiben seiner politischen Gegner wegen seines Verhaltens beim Mailänder Aufstand im Jahr 1898 zurückführte. Das Bundesgericht hat aber seine Einwendungen als grundlos erklärt und die Auslieferung einstimmig bewilligt.«
»Nächsten Dienstag erfolgt in Granada die Hinrichtung eines Vatermörders, des Geistlichen Julian Anguita, und seines Oheims Candido Garcia im Innenhof des Kerkergebäudes. Zur Verhütung eines Skandals wird vorher der Bischof von Jaen die Degradation des Geistlichen vornehmen.«
»Ein Aufsehen erregender Prozess beschäftigte das Schwurgericht in Straßburg. Der katholische Pfarrer Louis Buhr inOtterstal hatte sich unter der Auflage der versuchten Brandstiftung zu verantworten. Buhr hatte zu einer gewissen Elise Horter in unerlaubten Beziehungen gestanden, sich jedoch mit ihr entzweit, weil sie im Dorf von ihrem geschlechtlichen Verkehr mit dem Pfarrer erzählt hatte. Um sich zu rächen, zündete Buhr mit Petroleum, das er in der Nacht vom 18. August 1900 an den Ort der Tat brachte, einen in unmittelbarer Nähe des Pfarrhauses gelegenen, den Eheleuten Eugen und Elise Horter gehörigen Schuppen an, in der Absicht, den Verdacht der Brandstiftung auf die Elise Horter zu lenken. Der teuflische Plan gelang.
Der Brand wurde [aber] rasch gelöscht, ohne dass dadurch erheblicher Schaden entstand. Die Elise Horter aber blieb von dem Verdacht, den Brand gelegt zu haben, verschont, da sie sich in der kritischen Nacht gar nicht in Otterstal, sondern in der Nervenklinik in Straßburg befand.
Der Verdacht, den Brand verursacht zu haben, lenkte sich vielmehr bald auf den Pfarrer Buhr, nachdem man in dem Schuppen eine dem Buhr gehörige Petroleumflasche gefunden hatte. Buhr leugnete anfangs, gestand jedoch bald darauf seine Tat ein.
Das Geständnis war durch ein dem Untersuchungsrichter in die Hände gefallenes Schreiben des Bistums Straßburg veranlasst worden, das dem Buhr mitteilte, nach allem, was man über
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