Mordrausch
schlüpfte in die Kammer, verschloss die Tür, schaltete das Licht ein und lauschte.
Niemand auf dem Gang – vielleicht hatten sie sich von der Blutspur täuschen lassen. Aber in fünf Minuten würde es in dem Krankenhaus von Bullen wimmeln. Er zog die Pflegeruniform aus und seine Straßenkleidung an, begutachtete seinen Fuß, riss den Ärmel von der Uniform und schob den Stoff und den Fuß in den Schuh. Soweit er das beurteilen konnte, fehlte der größte Teil seines kleinen Zehs, möglicherweise auch ein Glied des Zehs daneben.
Er lauschte noch einmal, trat zur Tür hinaus, lief den Flur zur Sicherheitstür entlang und in die Parkgarage.
Barakat hatte ihm den Schlüssel für seinen Wagen gegeben, weil es mit dem Van wegen des Nummernschilds Probleme hätte geben können. Cappy kletterte in Barakats Auto, und obwohl sein Fuß brannte wie Feuer, gelang es ihm, den Motor anzulassen und loszufahren. Sirenen überall. Zwei Häuserblocks vom Krankenhaus entfernt brauste ein Polizeiwagen an ihm vorbei; dann war er bereits auf der Auffahrt zur Interstate.
Der Fuß tat weh, aber Cappy hatte schon schlimmere Schmerzen gehabt. Er konzentrierte sich darauf, das Auto bei heftigem Schneefall über die rutschigen Straßen zur ersten Ausfahrt zu lenken. Eine Viertelstunde später erreichte er Barakats Haus. Weil er Angst hatte, sein Handy zu benutzen, rief er Barakat von dessen Festnetzanschluss aus an.
»Scheiße, Mann«, keuchte er. »Sie wissen, wer ich bin.«
»Rufst du von …?«
»Ich bin bei dir, an deinem Telefon«, antwortete Cappy. »Ich hab deinen Wagen genommen.«
»Wie haben sie dich entdeckt?«
»Vielleicht hat Joe Mack sie angerufen. Keine Ahnung. Jedenfalls muss ich hier weg. Ich bin verletzt. Einer von ihnen hat mich am Fuß erwischt, mir einen Zeh weggeschossen.«
»Warte auf mich«, sagte Barakat. »Im Badschränkchen sind drei oder vier Tablettenfläschchen. Auf einem steht Oxycodone. Wenn der Schmerz schlimmer wird, nimmst du zwei davon. Leg dich aufs Bett, lagere den Fuß auf zwei Kissen hoch. Wenn es stark blutet, drückst du ein Küchenhandtuch auf die Wunde. Ich komme zu dir, so schnell ich kann.«
»Ich war nicht mal in der Nähe von der Frau. Sie ist noch in der Klinik …«
»Gerade sind ungefähr fünfzig Cops hier reingestürmt«, sagte Barakat. »Ich muss Schluss machen. Wahrscheinlich denken sie, du bist hier.«
Polizisten schwärmten im Krankenhaus aus, sechzig oder siebzig Beamte aus allen Zuständigkeitsbereichen der Gegend – Campus-, Minneapolis- und St.-Paul-Polizei, Ramsey und Hennepin County Deputies. Die Aufnahmewagen der Fernsehsender folgten auf dem Fuße.
Marcy organisierte die Polizisten, die das ganze Krankenhaus mit den Hausmeistern durchsuchten, alle Türen öffneten und sämtliche Ausgänge blockierten.
Die Journalisten, die in der Cafeteria auf das Ende der Zwillingstrennung gewartet hatten, liefen wie aufgescheuchte Hühner in der Klinik herum und befragten jeden. Marcy, die versuchte, sie loszuwerden, wurde dabei gefilmt, wie sie einen Reporter wegschob.
Als er sie anschrie, brüllte sie zurück: »Ist es so schwer zu kapieren, wie gefährlich eine Handgranate ist?«
Lucas, der sich im Hintergrund hielt, sagte grinsend: »Das ist was für die Hauptnachrichtensendung.«
In dem Chaos erklärte ein Bombenspezialist Lucas: »Eine Handgranate hat gar keine so hohe Durchschlagskraft.«
»Wie bitte?«
»Überlegen Sie mal. Man muss die Dinger werfen; sie wiegen fast ein Pfund. Die meisten Männer könnten sie auf freiem Feld keine fünfzig Meter weit schleudern. Ein durchschnittlicher Mann schafft dreißig, vielleicht fünfunddreißig Meter. Sichere Treffer erzielt man bis zu ungefähr fünf Metern, sichere Verwundungen bis zu etwa fünfzehn. Auf größere Distanz verpufft die Wirkung.«
»Und in einem Treppenhaus?«
»Das ist was anderes«, antwortete der Spezialist. »Da müssen Sie die Tür rechtzeitig zuknallen …«
»Genau das habe ich getan.«
»Sehr gut. Im Film hätte die Handgranate die Tür und den größten Teil der Wand zerfetzt. In der Realität schlägt eine Handgranate wahrscheinlich nicht mal ein Loch in eine Feuerschutztür. Und gegen eine Betonwand richtet sie mit Sicherheit nichts aus.«
Weather hörte die Explosion von fern. Sie klang eher, als hätte jemand eine Tür zugeschlagen. Weather hob den Blick vom OP-Tisch, beendete ihre Arbeit und sagte: »Fertig.«
»Bei mir dauert’s noch zwei Minuten«, erklärte Cooper. Die Zuschauer
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