Mordrausch
spielte mit dem Gedanken hineinzugehen. Schließlich hatte er nichts mit der Leiche zu tun.
Nein, das stimmte nicht. Die Aktion mit der Krankenhausapotheke war seine Idee gewesen. Er hatte die Chance erkannt und sie ergriffen …
Barakat hatte an der Sorbonne zum ersten Mal Kokain von einem Kommilitonen geschnupft und später auch anderes probiert, Aufputsch- und Beruhigungsmittel, ein wenig Marihuana, einmal einen Mescal-Button, ohne dass es ihn zufriedengestellt hätte. Er wollte nicht weniger, sondern mehr Kontrolle.
Und die verschaffte ihm Kokain.
Das Kokain hatte ihm durchs Medizinstudium geholfen. Hinterher, in Miami, war die Beschaffung kein Problem gewesen. Und in Minneapolis hatte Barakat herumgefragt und schließlich jemanden gefunden, der im Ruf stand, anständiges Marihuana zu verkaufen, Importqualität aus Kanada. Ein solcher Mann würde wissen, woher man Kokain bekam.
Barakat hatte das Koks von einem Dealer namens Lonnie und später von Rick erworben, der Lonnies Revier übernahm, als dieser nach Birmingham ging. Dann war Rick bei einem Motorradunfall schwer verletzt worden, und Barakat hatte eineinhalb Wochen lang ohne Stoff auskommen müssen, was ihn fast umbrachte.
Schließlich war Joe Mack mit einem Gratistütchen Koks vor seiner Tür aufgetaucht.
»Unser Freund Rick meint, du wärst einer seiner besten Kunden, aber er ist erst mal eine Weile aus dem Geschäft …«
Zu dem Zeitpunkt hatte Barakat achthundert Dollar die Woche für Kokain ausgegeben, ohne zu wissen, wie er mehr Geld beschaffen könnte. Eines Nachts, den gestohlenen Schlüssel in der Hand, hatte er vor der Krankenhausapotheke gedacht: Keinerlei Sicherheitsmaßnahmen, und ich kenne Leute, die in der Lage wären, den Stoff rauszuholen.
Es war ihm alles so einfach vorgekommen. Und es hätte auch einfach sein sollen.
Jetzt stand er zitternd vor Kälte da und versuchte, einen Mord zu planen. Nichts war mehr einfach. Obwohl die Sache gar nicht so uninteressant gewesen wäre, wenn er ein halbwegs kompetentes Team gehabt hätte. Überhaupt faszinierte ihn das Grundkonzept des Verbrechens, dass die Starken von den Armen nahmen und die Klugen von den Dummen. Ein Spiel mit interessantem Einsatz … wenn er nicht mit den Macks zusammengearbeitet hätte.
Um zwanzig nach fünf bog ein schwarzes Audi-Kabrio in die Parkgarage und fuhr auf einen reservierten Platz im Ärztebereich. Wenig später stieg eine klein gewachsene Blondine aus und bewegte sich in Richtung des Ausgangs gegenüber von Barakat.
Es musste dieselbe Frau sein, der er im Aufzug begegnet war. Er schloss die Tür, damit sie ihn nicht entdeckte und sich möglicherweise an ihn erinnerte.
Er wartete nervös und angespannt und begann trotz der Kälte zu schwitzen. Als sie durch die Tür war, folgte er ihr. Dabei dachte er: Erledige es gleich. Knöpf sie dir vor. Eine zierliche Frau in einem menschenleeren Gebäude – er könnte ihr das Genick brechen. Wer würde das schon merken?
Der Gedanke ließ ihm keine Ruhe. Er könnte sie am Aufzug einholen … Doch als er dort ankam, war sie weg. Enttäuschung. Er hätte es geschafft.
Blieben folgende Fragen: Wer war sie, und wohin wollte sie?
Für eine Ärztin war sie früh dran, denn die kamen normalerweise erst nach sechs. Andererseits würde das Team des Franzosen bald mit der Trennung der Zwillinge beginnen …
Er ging in Richtung Operationssaal.
Etwa dreißig Personen drängten sich auf dem Flur vor dem speziell eingerichteten OP. Wie die meisten anderen Ärzte hatte Barakat eine Erklärung parat, um sich alles ansehen zu können – den eigens angefertigten Operationstisch, die komplizierten Anästhesievorrichtungen und den frisch gestrichenen, mit Markierungen versehenen Boden, der helfen sollte, die Bewegungen des riesigen OP-Teams besser zu koordinieren und die sterilen und nicht-sterilen Personen voneinander getrennt zu halten, auch wenn sie sich vorübergehend mischten.
Barakat sah, wie die blonde Frau, noch im langen Wintermantel, mit dem Franzosen Gabriel Maret sprach. Maret lauschte ihr aufmerksam, also hatte sie eine wichtige Funktion inne.
Barakat arbeitete in der Notaufnahme, nicht im Team, nicht einmal im näheren Umfeld. Da sämtliche Mitglieder des Teams sich untereinander kannten, konnte er sich nicht daruntermischen. Er würde zu den Zuschauerplätzen über dem OP gehen. Wenn man dort sitzen wollte, musste man früh da sein. Ein Arzt würde die Vorgänge für die Zuschauer kommentieren. Und die
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