Mordrausch
Frau, wenn sie tatsächlich eine wichtige Funktion innehatte, namentlich vorstellen.
Lucy und Larry Raynes waren bei den Kindern, die bald in den OP gebracht werden sollten. Als Sara Weather entdeckte, begann sie zu weinen, weil sie die Frau erkannte, die ihr Schmerzen zugefügt hatte. Kurz darauf stimmte Ellen in ihr Schluchzen ein.
Lucy Raynes beugte sich über sie, um sie zu trösten. Larry fuchtelte hilflos mit den Armen und sagte zu Weather: »Sie wollen ihnen gleich etwas zur Beruhigung geben.«
Weather nickte. »Sie spüren wie wir die Anspannung. Obwohl sie noch klein sind, ahnen sie, dass etwas passieren wird.«
Ellen drückte gegen die Seiten des Bettchens, was Sara verschob, die zu weinen aufhörte und stattdessen anfing, mit den Händen herumzuschlagen. Die Babys konnten einander hören, hatten einander jedoch noch nie gesehen.
»Wir haben gerade mit Gabriel gesprochen«, erzählte Larry. »Er meint, alles laufe wie am Schnürchen.«
»Das gestern war Pech«, erklärte Weather. »Heute ist alles genau wie gestern, nur besser. Vielleicht sind wir sogar nicht mehr ganz so nervös.«
»Schrecklich, die Sache mit dem alten Mann«, sagte Lucy.
»Ja, das finde ich auch.« Weather beugte sich über Sara und küsste sie auf die Stirn. »Ich weiß, es ist nicht leicht, Kleines.«
Eine Stunde später wurden die Zwillinge in den OP geschoben und sediert, aber noch nicht vollends betäubt. Während die Anästhesisten sie vorbereiteten und alle Geräte überprüften, gesellte sich Maret zu Weather. »Es ist so weit. Heute scheint es keine Probleme mit der Apotheke zu geben.«
Weather nickte und folgte ihm in den Umkleideraum. Wenig später kam Hanson mit seinem Assistenten. Der Hygienetechniker wartete hinter Weather. Sie zogen sich schweigend an, dann sagte Maret: »Am ersten Übungstag haben wir Vivaldi eingelegt. Wenn niemand was dagegen hat …«
»Gute Idee«, pflichtete Weather ihm bei, die bei all ihren Operationen Musik hörte. »Fangen wir mit dem ›Frühling‹ an.«
»Das überlasse ich dir«, erwiderte Maret mit einem Lächeln. »Alles okay?«
»Ich kann’s kaum erwarten anzufangen«, antwortete sie. Ihre Aufgabe, der erste Teil der Operation, war Routine für sie: bis zum Knochen einschneiden, Blutungen kauterisieren, Kopfhaut zurückschieben. Dann würde sie eine Pause einlegen, bis der Chirurg mit der Säge fertig wäre.
Ein Anästhesist streckte den Kopf herein. »Wir wären so weit. Soll’s losgehen?«
Maret sah die Teammitglieder im Umkleideraum an, schürzte die Lippen, nickte und sagte: »Ja.«
Der Zuschauerraum war bis auf den letzten Platz gefüllt. Mitglieder des Teams durften sich zuerst einen Sitz aussuchen, danach ging es nach dem Prinzip: Wer zuerst kommt, mahlt zuerst – solange man den richtigen Ausweis hatte. Barakat blickte sich um: Es waren nicht nur Assistenzärzte, sondern auch ziemlich viele ranghöhere da. Barakat saß ganz oben in der letzten Reihe.
Unten scharten sich drei Schwestern und zwei Anästhesisten um die zwei kleinen, am Kopf verbundenen Körper. Beide Kinder waren hübsch – nur ein Zentimeter mehr Raum zwischen ihnen, und alles wäre in Ordnung gewesen. Sie lagen auf dem Spezialtisch im grellen Licht, in Plastik gebettet, betäubt, die Augen bedeckt und zugeklebt, über der unteren Hälfte des Gesichts eine Atemmaske.
Die Tür des Umkleideraums ging auf, und eine zierliche Frau betrat als Erste den OP. Ein Mann, der in der ersten Reihe des Zuschauerraums saß, sprach in ein Mikrofon: »Die Ärzte Gabriel Maret, Weather Karkinnen, Richard Hanson. Dr. Karkinnen wird beginnen …«
Sie trug Mundschutz, OP-Kappe und -Gewand, Handschuhe, Schutzschuhe und -brille; doch, es war die Frau aus dem Aufzug und dem Audi, dachte Barakat. Sie hatte die richtige Größe und die richtige Figur. Jetzt kannte er ihren Namen und konnte sie googlen.
Der Mann am Mikrofon erklärte: »Für diejenigen, die gerade erst dazugekommen sind: Im ersten Schritt wird die Kopfhaut an dem Punkt geöffnet, an dem die beiden zusammengewachsen sind, dann wird der erste Expander entfernt und das Bett für die Kraniotomie vorbereitet.«
An den OP-Leuchten waren Mikrofone angebracht. Barakat konnte hören, wie Dr. Karkinnen sich mit ihrem Hygienetechniker unterhielt, während sie die Instrumente auf einem Tablett zu ihrer Linken zurechtlegten. Dr. Karkinnen beugte sich mit einem Stift über die Babys. Nun konnte Barakat nicht mehr erkennen, was sie tat. Wenig später richtete
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