Mordrausch
der Verdächtige ist flüchtig, unter Umständen liegt eine Entführung vor. Außerdem wissen wir, dass er mit seinem Bruder in Telefonkontakt steht.«
»Ja, besorg die richterliche Erlaubnis«, sagte Lucas. »Das Problem ist nur, dass inzwischen jeder Trottel ein Wegwerf-Handy hat.«
Von unterwegs rief Lucas den diensthabenden Beamten im SKA an, um ihm zu sagen, dass er einen Anruf von Grace erhalten würde. Währenddessen organisierte Marcy alles Nötige für die Abhöraktion. Zwei Polizeiwagen standen vor dem Haus; Grace kam dazu, als Lucas und Marcy die Auffahrt hinaufgingen.
Es handelte sich um ein bescheidenes, verwaschen-weißes Gebäude im Ranchhausstil mit freistehender Garage, deren Tor offen war. Das Grundstück befand sich eher fünf als drei Häuserblocks vom Cherries entfernt, doch ein geübter Läufer konnte diese Distanz ohne Weiteres bewältigen, dachte Lucas. Joe Mack hatte die Wohngegend so lange wie möglich gemieden, um nicht gesehen zu werden, und war dann im Zickzack den Hügel links hinuntergerannt.
Die Kindergärtnerin hieß Marti Stasic. Jill MacBrides Tochter, die vierjährige Stacy, ein winziges, schwarzhaariges Mädchen mit verheulten Augen, hielt sich an einem Zeigefinger von Marti Stasic fest.
»Sie kommt nie zu spät«, betonte Marti Stasic. »Wirklich nie. Brenda war zwei Jahre bei uns, und jetzt haben wir Stacy fast zwei, und in der ganzen Zeit … nie.«
Sie erzählte, sie habe Stacy persönlich nach Hause gefahren, weil sie fürchtete, dass Jill MacBride ›etwas passiert‹ sei. »Fast hatte ich Angst, das Haus zu betreten.«
»Stand das Garagentor offen, als Sie herkamen?«, fragte Marcy.
»Ja. Es sah aus, als wäre sie überstürzt aufgebrochen. Vor dem Telefonat mit Ihnen habe ich im Kindergarten angerufen. Dort ist sie nicht aufgetaucht.« Sie sah Stacy an. »Ich hoffe nur … Sie wissen schon …«
Die andere Tochter war in der Schule, in der ersten Klasse. »Wir schicken jemanden rüber, wenn der Unterricht aus ist, falls wir die Mutter bis dahin nicht gefunden haben«, sagte Grace.
Stacy fragte Lucas: »Wo ist meine Mom?«
»Wir suchen nach ihr, Kleines«, antwortete Lucas und strich ihr über den Kopf. Er spürte, wie Zorn in ihm aufstieg. »Was ist mit Mr. MacBride?«, erkundigte sich Lucas bei Marti Stasic.
»Jill und Frank sind geschieden. Soweit ich weiß, hat er ein Apartment in Minneapolis. Er besucht die Kinder ziemlich oft.«
»Wo ist Mom?«, wiederholte Stacy und begann zu weinen.
»Könntest du …?«, bat Lucas Marcy.
Marcy nickte und fragte Marti Stasic: »Haben Sie eine Ahnung, wo Frank MacBride arbeitet?«
»Er ist für die Regierung tätig, mehr weiß ich nicht. Ich kenne ihn nicht sehr gut.«
Marcy telefonierte mit einem Kollegen in Minneapolis und beendete das Gespräch mit den Worten: »Ich brauche die Information innerhalb von zehn Minuten.«
»Wollen Sie hier irgendwas überprüfen?«, erkundigte sich Grace.
Lucas schüttelte den Kopf. »Nein. Ihre Leute haben sich ja im Haus umgesehen, oder?«
»Ja, überall.« Er neigte den Kopf leicht zur Seite. »Kommen Sie mit.«
Lucas folgte Grace ums Haus herum. Die dünne, harte, mit Streifen gefrorenen Grases durchsetzte Schneedecke knirschte beim Gehen. »Schauen Sie.« Grace deutete auf eine Fußspur, die durch den Garten führte.
»Okay«, sagte Lucas. »Lassen Sie da niemanden ran. Wir brauchen Fotos davon und die Spurensicherung. Ich werde sie holen.«
»Jetzt wird’s übel«, murmelte Grace.
Als Lucas und Marcy sich vom Haus entfernten, blickten sie sich noch einmal nach der Kleinen um. »Wenn Joe Mack der Mutter von dem Mädchen was angetan hat, bringe ich ihn um«, knurrte Lucas. »Aber behalt das bitte für dich.«
»Es war nicht unsere Schuld«, versuchte Marcy, ihn zu beschwichtigen. »Wir reden mit ihm, und plötzlich haut er ab. So was kommt vor.«
»O Mann«, sagte Lucas. »Wie viele Leute hast du? Wie viele können wir auf den Fall ansetzen?«
Sie überlegten gemeinsam, und schließlich fragte Marcy: »Was ist mit Lyle Mack? Dem kaufe ich nicht ab, dass sein Bruder das allein gedreht haben soll. Ich glaube, dass Lyle das Gehirn hinter der Aktion war, falls man da überhaupt von Gehirn sprechen kann.«
»Ich will im Moment nichts gegen Lyle unternehmen, sondern ihn lieber beobachten. Das könnte Martin machen. Damit wir wissen, was Lyle tut und mit wem er redet. Wenigstens den Rest des Tages.«
Sie nickte. »Okay. Was noch?«
»Ich fahre in die Stadt zu Macy’s
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