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Mords-Bescherung

Mords-Bescherung

Titel: Mords-Bescherung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Weidinger
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unüberlegte
Handlung verlor die Feuerwehr wertvolle Zeit, und ein nicht unmaßgeblicher Teil
des Zimmertrakts nahm nennenswerten Schaden. Doch der materielle Verlust wog gering
gegen den schrecklichen Fund, den die Feuerwehrmänner in der Suite von Edwards
Mutter machten. Seiner Mutter war es noch gelungen, nackt, wie sie war, auf den
Balkon zu eilen, um sich von dort aus über die Dachrinne in Sicherheit zu
bringen. Doch der Jäger, behindert durch seine Erektion, hatte beim Versuch, in
sein Beinkleid zu schlüpfen, das Gleichgewicht verloren, war gefallen und mit
dem Kopf an der Heizung angeschlagen. Die dadurch verursachte kurze
Bewusstlosigkeit wiederum hatte ausgereicht, ein derartiges Quantum an
Rauchgasen einzuatmen, dass sein Herz zu schlagen aufgehört hatte.
    Nicht nur die regionalen, auch die nationalen Medien berichteten
über die Tragödie am Semmering, und in so mancher Zeitungsleserin machte sich
vielleicht Genugtuung darüber breit, dass just jener Frauenjäger, der ihnen
einstmals Leid angetan hatte, nun derartiger Strafe zugeführt worden war.
Andere mochten hingegen mit einer gewissen Wehmut an die einstigen
Schäferstündchen zurückdenken, und wiederum andere fragten sich vielleicht
bloß, wer dieser Mensch wohl gewesen war, den der Tod just am Weihnachtsabend
geholt hatte.
    Die Behörden gingen, derlei Überlegungen ex officio abhold, von
einem Unfall aus und legten die Sache alsbald zu den Akten. Die Mutter aber,
die vom reumütigen Gatten in aller Demut empfangen wurde, hatte mit Edward
einen Pakt geschlossen. Der arme Papa, so hatte sie ihn beschworen, brauchte
nichts von dem schändlichen Attentat auf sie zu wissen. Ebenso wenig wie von
Edwards Reaktion darauf. Der war dankbar, ohne Strafe davonzukommen, nahm den
von der Mama nachgekauften iPod lächelnd entgegen und meinte bald schon, der
Urlaub am Semmering sei nur ein böser Traum gewesen.
    X.
    Die Lok hielt lautlos in der Station Semmering. Die weißen
Waggons spuckten ein paar Menschen aus, die unter Stoßen und Rempeln den Hotels
am Berg zustrebten. Für einige Augenblicke herrschte ein Gemurmel und Gegurgel,
dann war plötzlich wieder Ruhe. Und weiße Wolken zogen über das Terrain hinweg.
Jene unruhigen Gebilde, die nur der Winter hat.

Jutta Siorpaes
    Anklöpfler
    Die Straße zur Neubausiedlung am Rande des tief
verschneiten Dorfes führte steil bergan, und der Schnee knirschte unter meinen
Füßen. Es hatte bestimmt zehn Grad unter null in dieser sternenklaren Nacht,
und ich wäre, hätte ich es mir aussuchen können, bei dieser Kälte niemals aus
dem Haus gegangen. Aber ich hatte keine Wahl. Anklöpfeln gehen die Leute im
Brixental nur an drei Donnerstagen im Advent, wie ich in Erfahrung gebracht
hatte. Dabei verkleiden sie sich als arme Leute, die Josef und Maria auf
Herbergssuche verkörpern, ziehen von Haus zu Haus und singen Adventslieder. In
der Mehrzahl sind es Kinder, denen es nur um Süßigkeiten geht, aber es mischen
sich auch einzelne Erwachsene darunter, um für einen guten Zweck oder den
Sommerausflug des Kirchenchors zu sammeln. Und gerade diese Erwachsenen
verschafften mir die nötige Deckung bei der Ausführung meines Planes. Das
Einzige, was nicht ganz zum Brauchtum passte, war die Tatsache, dass ich allein
unterwegs war, aber das ließ sich in Anbetracht der Umstände nicht anders
machen. Daher bemühte ich mich, den Abstand zu der Kindergruppe vor mir nicht
zu groß werden zu lassen, schloss aber auch nicht zu dicht auf, um nicht deren
Aufmerksamkeit zu erregen. Zu meinem Glück waren sie allerdings so sehr damit
beschäftigt, darüber zu streiten, wie die erbettelte Beute aufzuteilen sei,
dass sie mich gar nicht registrierten. So stapften wir miteinander durch die
Nacht und trieben umso größere Schwaden kondensierten Atems vor uns her, je
mehr wir ins Schnaufen kamen. Ich beglückwünschte mich, eine halbwegs
erschwingliche Wohnung auf dem flachen Talboden ergattert zu haben, als ich vor
gut sieben Jahren nach Kirchberg gezogen war, denn ein solcher Heimweg hätte
mir längst den letzten Nerv gezogen. Ich stamme aus Zwickau, und ich kann es
nicht leiden, tagtäglich bergauf rennen zu müssen. Aber die Einheimischen
nehmen das ganz entspannt. Wenn es drunten im Tal zu eng wird, bebauen sie die
Hänge und springen ohne Klagen auf und nieder wie die Gämsen. Daher waren die
neuen Grundstücke auch im Nu weg gewesen, und ich hatte als Gemeindesekretärin
alle Hände voll zu tun gehabt, um mit den künftigen

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