Mords-Bescherung
schauen.
Gar nichts werdet ihr, ihr Schisser, dachte er, ich werde hier das
Rennen machen, und das lasse ich mir von niemandem nehmen. Von niemandem. Weder
von euch noch von irgendwelchen durchgeknallten Agenten.
In seinen Augenwinkeln nahm er ein breites Grinsen von Martin2 wahr.
»… und du bist schon lange überfällig«, flüsterte er kaum hörbar und nahm
seine Tasche. Draußen beim Rentierschlittenfahren würde das letzte Stündlein
von Martin2 schlagen. Da würde er ihn … ooooho, Drama, Baby, Drama … ganz
einfach … und ganz versehentlich einfach über den Haufen fahren.
Der Himmel war strahlend blau, die Wiesen voller Blumen und
Kräuter. Edgar5 wäre am liebsten jetzt eine Almkuh gewesen, die sich voller
Genuss den Ranzen vollfrisst, um dann stundenlang vor sich hin zu dösen und
wiederzukäuen. Stattdessen wurde er jetzt mit Begleitschutz und Martin2 in die
höher gelegenen Schneefelder gefahren zum Rentierschlittenfahren. Er wusste
genau, warum die Jury sie zu dieser Übungseinheit zusammengesteckt hatte. Sie
waren die Kandidaten auf den Titel, sie sollten sich aneinander messen lernen,
aber er würde schon heute die Entscheidung darüber fällen.
Als Aufwärmübung war wie immer eine kleine Schneeballschlacht
vorgesehen, bevor sie auf die Schlitten durften. Seine Hände wurden feucht vor
Anspannung, und er musste sich zusammenreißen, um nicht schon hier Martin2 an
den Kragen zu gehen. In Seelenruhe formte er einen Schneeball, blickte kurz auf
und sah plötzlich die weit aufgerissenen Augen. Sah, wie Martin2 »Hohohooo«
hauchte, und hielt den Atem an. Er hatte sofort verstanden: Sie waren hier,
ganz nah. Er blickte vorsichtig und ganz langsam um sich und sah in der Ferne
die kleinen schwarzen Punkte. Steine, die durch den Schnee schimmern, hätte man
meinen können. Aber die Steine bewegten sich, hatten Arme und Beine und schoben
einen schmalen, länglichen Gegenstand vor sich her.
Sie hatten sie gefunden!
Ihm sprudelte der Schweiß aus allen Poren.
Denk an dein Pokerface, meldete sich seine innere Stimme.
»Jajajaahaaa«, rief er völlig überraschend, hüpfte auf der Stelle
von einem Bein auf das andere, warf übermütig einen Schneeball in die Luft und
drehte sich im Kreis. »Jajajaahaa«, rief er noch einmal und machte eine
einladende und zugleich fordernde Bewegung zu Martin2, der noch völlig erstarrt
ein paar Meter entfernt von ihm stand. Doch in Sekundenschnelle hatte auch er
begriffen.
Sie standen sich gegenüber. Wieder einmal.
Schritt für Schritt näherten sich die beiden. Wie in Zeitlupe.
Großaufnahme. Sie schauten sich in die Augen und wussten, diesmal ging es nicht
nur um sie beide, diesmal ging es um alles oder nichts.
Geigenmusik setzte ein. Kurze Zeit später die Paukenschläge. Die
Sonne brannte heiß vom Himmel.
Totenstille.
Und dann – wie auf ein geheimes Zeichen – wandten sich beide zu den
beweglichen Steinhaufen, brüllten aus Leibeskräften. Ließen sich rückwärts in
den Schnee fallen und brüllten unentwegt weiter. Sie gaben ihr Bestes, waren
des Titels »Der beste Weihnachtsmann des Jahres« mehr als würdig.
»Hooohooooho!« Und noch einmal »Hohhohoooo« hallte es laut in den
Bergen, und das Echo errichtete einen Schallkreis, dem sich keiner mehr
entziehen konnte.
Ohrenbetäubender Lärm breitete sich aus.
Eine Lawine stürzte ins Tal, begrub all die kleinen schwarzen Punkte
in der Ferne mit meterhohem Schnee.
Sehr gut gemacht, sagte seine innere Stimme.
»… und du kannst mich auch mal«, brummte Edgar5 leise, »morgen
werde ich ihm trotzdem die Tropfen in den Punsch geben.« Er drehte sich um,
setzte sein breitestes Grinsen auf und zeigte Martin2 das Victoryzeichen.
* Diesen »Berner Club‹ gibt es wirklich, und er führt ein Leben im Geheimen. Er trifft sich angeblich zweimal im Jahr und besteht aus Vertretern von Nachrichtendiensten und Staatsschützern aus derzeit circa zwanzig Staaten. Es ist ein internationaler
Club, dem mutmaßlich sämtliche Mitglieder der EU angehören, außerdem
vermutlich Norwegen. Was der Verein tatsächlich tut, wer dabei auftritt, wer
die Geschäfte führt, wer was bezahlt und auf welcher rechtlichen Grundlage der
Club operiert, ist völlig unbekannt.
Jeff Maxian
Weihnachten unter Freunden
Alle Jahre wieder, und das seit etlichen Jahren und immer
unmittelbar vor dem Weihnachtsabend, trafen sie aufeinander. Jean-Paul aus dem
Elsass, Jan aus Böhmen, Gerti aus Hallein, Fritz aus Thüringen, Rosi aus
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