Mordsberge: Vier Fälle für Kommissar Gabriel (German Edition)
Schlepptau, und hat mir blöde Fragen gestellt.«
Ach, dachte Sandra, die Köchin aus dem Kloster, die der Chef getroffen hat.
»Das war so doch auch alles nicht geplant, Emma«, sagte Kurti unruhig. »Warte mal bitte. Ich muss schauen, ob diese Kollegin von ihm noch hier ist. Die wollte hier einen Raum für ihre Ermittlungen haben.« Sandra sah Kurtis Schuhe an sich vorbeilaufen. Ein paar Sekunden später war er wieder da. »Sie ist nicht da. Emma! Ich bitte dich! Wir dürfen jetzt nicht hysterisch werden.«
»Nicht hysterisch werden! Wie soll das denn bitte gehen?« Emma regte sich fürchterlich auf.
Sandra merkte entsetzt, dass sie niesen musste. Unter dem Schreibtisch war lange nicht gestaubsaugt worden. Sie hielt sich die Nase zu und atmete durch den Mund. So ging es.
»Wenn der Kollege aus Hamburg nicht wegen dieses blöden Polizeiprogramms hier wäre, wär das alles nicht passiert«, sagte Kurti. »Sein blöder Köter hat die beiden irgendwie gerochen. Wenn der nicht gewesen wäre – nie hätte man sie gefunden. Der Kollege hätte sich mit seiner Sekretärin ein nettes Wochenende gemacht, und alles wäre nach Plan gelaufen.«
Ich bin keine Sekretärin!, dachte Sandra wütend und musste jetzt auch fast noch husten. Das war ja furchtbar staubig hier.
»Tatsache ist aber, dass die noch hier sind. Er hat mich aus dem Kloster rauskommen sehen. Ich hab unten sauber gemacht, aber gründlich. Da finden die nix mehr, wenn die da mal irgendwann suchen sollten.«
»Sehr gut«, sagte Kurti. »Die Annelie hat auch alles gut hingekriegt.«
»Na hoffentlich«, sagte Emma. »Jetzt müssen die beiden nur noch verschwinden.«
»Wenn alles so läuft, wie wir es jetzt verabredet haben, dürfte nichts mehr passieren. Und jetzt geh am besten. Es ist nicht gut, wenn dich jemand sieht.«
»Und wenn schon«, sagte Emma. »Niemand wird was sagen.«
Die beiden verließen den Raum.
Sandra wartete noch einen Moment, dann kroch sie unter dem Schreibtisch hervor. Sie war offenbar einer ungeheuerlichen Geschichte auf der Spur. Und was machte diese Frau hier, und wer war Annelie?
Sie schlich zum Eingang und war darauf bedacht, dass sie keiner bemerkte. Doch, da war jemand. Mutter. Sie lag im Flur und winselte leise, als sie Sandra sah. Ihr hing die Zunge aus dem Hals. Sie spähte durch das kleine Fenster neben der Eingangstür. Draußen war niemand zu sehen. Und ihr konnte nun auch nichts mehr passieren, immerhin hatte sie hier offiziell einen Arbeitsplatz. Jetzt würde sie sich erst mal um Mutter kümmern.
»Wo kommst du denn her?« Sandra bückte sich und streichelte Mutter, die erneut fiepte. Sie war bestimmt durstig. Sandra ging in die kleine Teeküche, um eine Schüssel mit Wasser zu füllen, die Mutter bis auf den letzten Tropfen leer trank. Und dann noch einmal und noch einmal.
Und der Chef war immer noch nicht erreichbar. Sandra hoffte, dass ihm nichts zugestoßen war. Am besten, sie fuhr jetzt gleich zum Kloster, um nach ihm Ausschau zu halten. Langsam wurde die Zeit knapp, und dieser Fall wurde immer undurchsichtiger … irgendwas mussten sie tun.
Sie ging noch einmal zu Schmellbachs Schreibtisch zurück, um sich zu vergewissern, dass sie auch wirklich alle Spuren entfernt hatte, und da sah sie einen Zettel liegen, auf dem ›Annelie‹ und eine Münchner Telefonnummer standen. Schnell stellte sie in ihrem Handy die Nummernunterdrückung ein und wählte. Nach dem fünften Klingeln sprang der Anrufbeantworter an, und nun wusste Sandra, dass Annelie Gabler die Sekretärin von Doktor Ferdinand Kühn im Institut für Rechtsmedizin in München war.
In ihrem Kopf sausten die Gedanken hin und her.
Dann nahm sie Mutters Leine, die an der Garderobe im Eingangsbereich hing, und ging mit dem Hund zum Auto. Kurz überlegte sie, ob es ratsam wäre, die Kollegen in München anzurufen. Oder vielleicht Max Veitlinger privat, ganz im Vertrauen … Nein, besser nicht. Sie wusste ja nicht, wer noch alles in die Sache verwickelt war. Wolf und sie würden diesen Fall allein lösen. Sie waren ein gutes Team, auch wenn er schon länger dabei war.
•
So musste sich jemand fühlen, der langsam verdurstete. Das Wasser des Rinnsals schmeckte brackig, trotzdem hatte Gabriel davon getrunken. Wahrscheinlich bekam er davon jetzt Cholera oder noch was Schlimmeres. Und wenn Schmerbauch – bitte! – bald mit dem Auto käme, Gabriel hätte sich sogar freundlich bedankt.
Aber weit und breit war niemand zu sehen.
Er ließ sich ins Gras sinken
Weitere Kostenlose Bücher