Mordsdeal
nur geduldete Mieterin in Gittis Haus. Da würde er sich schon etwas einfallen lassen, warum Hilla raus musste. Er nahm den vordersten Karton von der Karre, klappte den Deckel zurück und schüttete den Inhalt auf der Decke aus. Es rieselte, bröckelte, knirschte, klapperte und krachte. Gitti schrie kurz auf. Die umstehenden Trödler hielten inne, bis sie sahen, dass es vom Stöckskes-Stand kam. Fehlalarm, das machten sie immer so.
Gitti lief zur Toilette, Heiner rief ihr nach, fragte, wer den Müll denn jetzt verkaufen solle. Er hätte keine Zeit, müsse sich gleich um wichtigere Dinge kümmern. Gitti hörte es nicht mehr, war längst hinter dem Betonpfeiler verschwunden.
Tatsächlich gab es einige unerschrockene Besucher, die sich trauten, an Heiners Tisch stehen zu bleiben. Er stand breitbeinig und mit gestemmten Fäusten in der nicht erkennbaren Taille dahinter und sah aus wie ein Mann von der Security, der bereit war, jeden abzuknallen, der sich an den Sachen vergriff. Ein Kunde interessierte sich für die alte Kaffeemühle. Heiner erklärte widerwillig, er wisse auch nicht, wie alt sie sei, aber sie würde sich gut zum Schwarzpulvermahlen eignen. Der Nächsten riet er, sich doch etwas Neues zu kaufen, wenn sie Freude daran haben wolle, aber vermutlich könne sie sich das gar nicht leisten, so, wie sie herumlaufe. Beide Kunden hatten die Flucht ergriffen.
Heiner trat ungeduldig von einem Bein auf das andere. Er verfluchte seine Frau, die blöde Kuh, und rieb sich zwischendurch immer wieder den knurrenden Magen. Heute Morgen zum Frühstück hatte er nichts hinunterbekommen. Hoffentlich hatte Gitti ein paar Brote geschmiert. Er wühlte gierig in den Taschen, sah nicht den Mann, der die Kaffeemühle mitgehen ließ.
*
Mia bewunderte die großen afrikanischen Masken, die am Trödeltisch lehnten. Lächelnd versicherte Sameja ihr, sie kämen diesmal nicht aus einem Möbelhaus, sondern seien vom Afro-Ethno-Shop. Es handele sich um handgeschnitzte Masken aus Zedernholz.
Die aufgerissenen Münder flößten Mia Furcht ein, lösten aber auch eine gewisse Faszination aus. Sie erkundigte sich nach deren Bedeutung und erfuhr eine Menge darüber. Zum Beispiel, dass man Masken nicht als tote Objekte sehen durfte. Der Tänzer mit der Maske und dem Gewand gab in der Ekstase seine Identität auf. Es war die Maske, die agierte und sprach. Niemand durfte sich gegen die Maske und ihre Entscheidungen richten. Sie mussten kritiklos angenommen werden.
Sameja verfügte mittlerweile über ein fundiertes Wissen über ihr Ursprungsland und dessen Kultur. Sie hatte im Internet und in Büchern eine Menge darüber studiert. Ebenso hatte der Kontakt zur Journalistin Elke gefruchtet. Seit Kurzem tauschte sich Sameja per Mail mit einem Entwicklungshelfer in Benin aus. Es schien, sie kam dem Ziel, ihren Vater und somit ihren Ursprung zu finden, immer näher.
Mia musste zurück an ihren Stand. Jemand interessierte sich für die Autogrammkarten. Ein Mann mit Baskenmütze, unter der blonde, strähnige Haare hervorschauten, wechselte die Bratwurst von einer Hand in die andere, leckte an seinen Fingern und zog das Album zu sich heran. Mia hätte sich am liebsten dazwischengeworfen, aber bevor sie es verhindern konnte, blätterte er wild darin herum. Sein Fettfinger blieb an einer Ecke des dünnen Pergaments kleben, es zerriss. Mia setzte zum Schimpfen an, da fragte er, als wenn nichts gewesen wäre, nach dem Preis.
»50 Euro, das komplette Album. Die sind weitaus mehr wert. Alleine das von Heintje …«
Bei dem Namen verzog der Strähnige das Gesicht. » Wieso, der lebt doch noch, 50 Euro? Nee, ich gebe höchstens 10 dafür. So, wie es aussieht, sind viele Autogramme eine billige Fälschung. Also, 10 Euro!«
Mia verwünschte ihn. »Kommt nicht in Frage. Eher nehme ich das Album in mein Testament auf.«
Verächtlich warf er es an seinen Platz zurück.
» Und der hier? Was willst du für den Kuli haben?«
Mia blieb freundlich. »100 Euro, aber nebenan gibts günstigere.« Sie schickte ihn zu Heiner. So viel Rache musste sein.
*
Heiner war mit dem Strähnigen schnell fertig. Mit einem in die Höhe gehaltenen Stinkefinger verließ dieser den Stand. Gitti hielt Heiner in letzter Sekunde am Ärmel fest, um eine Massenschlägerei zu verhindern. Wie schnell bildeten sich in solch einer Situation zwei Fronten? Trödelhändler gegen Besucher. Da kochten die Gefühle leicht über. Da kam Massenhysterie und Panik auf – vielleicht aber auch nur bei
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