Mordsdeal
ihr.
Gitti beschloss, Heiner endlich abzufüttern. Es wurde Zeit für ihn, friedlicher zu werden. In seltenen Fällen erreichte sie das mit einer warmen Mahlzeit. Sie wollte nichts unversucht lassen. Erst nachdem der Lebensmüde von eben außer Sichtweite war, teilte Gitti Heiner ihr löbliches Vorhaben mit, ihm am Fressstand eine Gulaschsuppe zu besorgen.
Er dankte es ihr mit einem Grunzen und vergrub sich in seine ›Frauenzeitung‹, die er vom schönen Heinz, wie sein Pseudonym hieß, geschenkt bekommen hatte.
Der Weg zum Suppenstand führte Gitti über einen Umweg zu Hilla. Normalerweise hätte sie es gerne gesehen, wenn sich Hilla wieder mit ihrem Trödelkram zu ihr gesellt hätte, aber aufgrund der letzten Ereignisse war es für sie besser, Heiner nicht zu dicht auf die Pelle zu rücken. Gitti wusste nun, wem sie glauben konnte, da war Blut dicker als Wasser, da waren sie Verbündete.
Gitti sah Hilla schon von Weitem. Sie trug heute eine Mischung aus Männer- und Frauenkleidung, was nicht bedeutete, dass sie androgyn war. Wenn es nach Busen und Hintern ging, war Hilla die Göttin aller Frauen.
Sie packte gerade die hauchdünnen Weihnachtskugeln im Achterpack aus und legte vorsichtig vier davon zur besseren Ansicht davor. Die Kaffeekanne war im Weg. Der herunterfallende Deckel erschlug die Kugeln, es knallte. Vorsichtshalber stellte Hilla die restlichen Kugeln in der Schachtel außer Reichweite.
»Hallo Hilla. Ich habe nicht viel Zeit. Hast du meine SMS bekommen?«
Hilla nickte hektisch, sah sich um, sah dann auf ihr geklebtes Handy, auf dessen Display ein Briefumschlag zu sehen war. Das Zeichen für eine angekommene Nachricht.
Gitti zweifelte an Hillas Nicken, verlor kein Wort darüber und sagte im Weggehen: »Lies sie, dann weißt du Bescheid – hoffentlich.«
Hilla hob den Arm für ein ›Alles in Ordnung‹ und wischte dabei die Schachtel mit den Kugeln auf den Boden.
Gitti hörte es, warf den Kopf herum und sagte: » Kleb die Schachtel zu und verkauf sie als Kinderrassel.«
Kaum war Gitti weg, öffnete Hilla die Klappe des Handys und las die Nachricht. Die Nummer und somit der Absender waren unterdrückt:
Hallo Hilla,
wenn du Romeo aufnimmst, hole ich den Alten wieder hervor und lege ihn dir vor die Haustür. Einer, der dich satt hat.
Hätte auch Heiner schreiben können, dachte Hilla und las Gittis SMS noch einmal:
Um 14 Uhr vor den Toiletten.
Übergib es mir so, dass man es nicht sieht.
Als wenn sie nicht wüsste, was es bedeutete. Sie war zwar ungeschickt, aber nicht blöd, und niemand, wirklich niemand, sollte den Fehler machen und sie unterschätzen. Hilla legte die Plane über den Trödelstand, was gar nicht so einfach war, und gab ihrem Standnachbarn Bescheid, ein Auge darauf zu haben, damit sich keiner daran zu schaffen machte. Danach begab sie sich auf den Weg zu den Toiletten.
*
Auch Stunden später verteidigte Heiner seinen Ruf als erfolgloser Verkäufer unerbittlich. Er schwor sich, dass dies der letzte Trödeltag in seinem Leben war. Nie mehr wollte er sich diese Strapazen antun und sich mit diesem blöden Volk herumschlagen müssen, das einem eine Menge Arbeit machte, indem es dies und das sehen und jenes erklärt haben wollte. Hatten sie den Gegenstand tausendmal hin und her gedreht und genug gesehen, feilschten sie um jeden Cent, sagten dann – wenn er sich darauf einließ –, dass sie ihn eigentlich doch nicht gebrauchen konnten und verschwanden wieder. Heiner hasste diese Leute. In seinem Mund brannte es wie Feuer, sein Magen meldete sich, diesmal aber nicht vor Hunger, sondern vor Unbehagen. Es zwickte und zwackte, auch im Gedärm. Wo blieb nur Gitti? Wenn sie nicht bald kam, gab es ein Unglück, hier und jetzt. Er spürte, wie die Natur drängte.
Endlich sah er sie von Weitem mit zwei Flaschen Cola in der Hand. Sagte sie nicht, sie wolle nur schnell zur Toilette gehen? War ihm gleich so komisch vorgekommen, so oft musste doch kein normaler Mensch müssen. Egal. Sein Magen- und Darmgrummeln hatte sich etwas gelegt.
Er riss Gitti beide Flaschen aus den Händen. Die Gulaschsuppe war sauscharf gewesen.
»Wo ist der Öffner?«
»Ist schon erledigt«, meinte Gitti nur. Sie sah gespannt auf den Einnahmeblock – er war unbeschrieben.
»Seit wann öffnest du meine Flaschen?«, fragte Heiner.
Gitti durfte kein Lob von ihm erwarten.
Nacheinander hatte Heiner gierig die beiden eiskalten Flaschen ausgetrunken. Es dauerte nicht lange, da wurde der Druck auf seine
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