Mordsee
Nicht diese bemüht lächelnden Kuhgesichter, die mit ihr redeten wie mit einem Kuscheltierchen. Alles schön langsam und ruhig, nur keine Action, damit auch der letzte Trottel folgen konnte und ja nichts Schlimmes passierte. Es passierte aber auch nichts Gutes. Wie sollte sie in diesem Hühnerstall lesen lernen? Schnell, vor allem.
Das Bällebecken hatte sich schließlich als allerletzter Ausweg erwiesen. Eines Morgens tauchte sie darin unter. Sie hoffte flehentlich, dass ihre Mutter kommen und sie erlösen würde. Vergeblich. Als auch ihr Vater nicht kam, wühlte sie sich immer tiefer in das Becken, so lange, bis die Luft knapp wurde. Irgendwann war ihr Verschwinden entdeckt worden. Die Aufregung war groß und steigerte sich bis zur Hysterie. Schließlich alarmierte eine von den Sozialhennen die Polizei. Die coole Polizistin, die sie schließlich entdeckte, erschien ihr zwischen all den aufgeregt gackernden Hühnern wie ihre allerbeste Freundin. Ab da wusste sie genau, wohin sie wollte.
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Als guter Polizeibeamter musste man lernen und viel wissen. Das schien ihr logisch. Sie nahm die Schulen hin, wie sie waren, und lernte, was sie nötig zu haben glaubte. Sie hatte keine Probleme damit. Sie war an Fakten interessiert, alles andere ließ sie kalt. Es gab nur eine einzige Ausnahme: Sport. Ihr Körper war ihr wichtig. Sie hatte gelernt, ihn als Werkzeug zu betrachten, einzigartig und ihr höchstpersönlich zum allernützlichsten Gebrauch anvertraut. Er war aus dem besten Material, das sie sich vorstellen konnte, und von optimaler Effizienz, wenn man ihn richtig zu gebrauchen lernte. Spätestens, nachdem sie den schwarzen Gürtel im Taekwondo erworben hatte, wusste sie das. Wichtig war ein stetiges Training. Pflege und Ernährung widmete sie viel Aufmerksamkeit und Zeit. Nachdem ihre Bewerbung für den gehobenen Polizeidienst erfolgreich gewesen war, studierte sie auf der Fachhochschule der Polizei in Altenholz bei Kiel. Ihre Einstellung kam den gestellten Anforderungen entgegen. Ihre Ausbilder und Lehrer schätzten sie. Sie schloss mit Bestnoten ab.
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In ihrer Freizeit las sie gern Kriminalromane, besonders die, in denen junge Frauen eine herausgehobene Rolle spielten. Lisbeth Salander, die Heldin in Stieg Larssons Romanen, hatte sie fasziniert. Es dauerte aber nicht lange, bis ihre gesunde Skepsis die Oberhand gewann. Salander hatte eine Biografie, die nicht einmal ein Stein durchgestanden hätte. Außerdem hatte sie zu viel Blech im Gesicht und auch die Körpertätowierungen stießen sie ab. Sie würde ihren Körper nie absichtlich entstellen oder Löcher in ihn bohren. Dafür war er ihr zu kostbar. Und es war auch nicht ganz falsch, daran zu denken, wie er einmal später aussehen würde, nach Jahrzehnten und mit gealterter Haut.
Salander konnte mit dem Computer umgehen. Das imponierte ihr, weil sie selbst auf diesem Gebiet keine Expertin war. Aber die enormen Fähigkeiten Salanders kamen ihr bald fragwürdig vor. Unglaubwürdig, urteilte sie, nachdem sie ihre Wissenslücken aufgefüllt und eigene Fähigkeiten erworben hatte. Dennoch war das Gehacke auf dem PC in Ordnung und in jeder Hinsicht nützlich.
Und sonst?
Ihr gefiel Bibi Fellner, die Assistentin des Wiener Kommissars Moritz Eisner aus der TV-Serie ›Tatort‹. Sie stand im Leben, mitten unter lebendigen Menschen, die Aufmerksamkeit nötig hatten, auch polizeiliche Aufmerksamkeit. Für ihren Geschmack stand sie ihrer Klientel jedoch zu nahe. Dabei ging die Kontrolle verloren. Saufen ging einfach nicht. In diesem Job musste man nüchtern sein. Den Namen ›Streetworker‹ hatte sie gelegentlich für diesen Typus gehört. Das Englisch klang albern, zu selbstgefällig und wichtigtuerisch. Eine passende deutsche Vokabel fiel ihr jedoch nicht ein.
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Schleswig-Holstein ist schließlich nicht Wien, stellte sie nüchtern fest, wenn sie über ihren Einsatz in der Zukunft nachdachte. Lübeck, Flensburg, Husum, Kiel, waren das überhaupt richtige Städte? Hatten sie ein gefährliches oder sogar kriminelles Milieu? Die Landeshauptstadt hatte nicht einmal das Flair von Itzehoe und war Sitz eines Ministerpräsidenten, der die Ausstrahlung eines korpulenten, dummen August besaß. Bei den Kollegen vom Personenschutz war der Landesvater wegen seiner Fresssucht auf den vielen Empfängen, die er gern besuchte, verschrien. ›HarryBuffet‹ spotteten sie über ihn. Sein Name war noch das Beste. Peter Harry erinnerte sie entfernt an ›Dirty
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