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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Harry‹. Das war aber auch alles.
     
    *
     
    »Haben Sie Ihren Pass auch nicht vergessen?«, fragte die Frau neben ihr.
    »Nein«, antwortete sie wahrheitsgemäß und ließ es dabei bewenden. Zu einem Gespräch war sie nicht in Stimmung. Die Frau war ihr unsympathisch. Sie hatte beim Einsteigen die Nase gerümpft. Wahrscheinlich glaubte sie, einen Daimler aus der Führungsetage beanspruchen zu können und keinen Volkswagen aus der Fahrbereitschaft der Bereitschaftspolizei.
    Seit sie auf die Autobahn eingebogen waren und sich Ruhe eingestellt hatte, taxierte sie die große Frau aus den Augenwinkeln. Das leger-elegante Outfit kaschierte grobe Knochen, schlappes Fleisch und überflüssiges Fett. Sie glaubte, diese Art Frau zu kennen: zu viel Styling, zu viel Design, zu viel Duft, zu viel Frisur. Dahinter versteckten sich Fehler: Keine Disziplin, angeknackstes Selbstwertgefühl, ein Hang zu Tändeleien, Spielchen, Klatsch und Intrigen, leicht ablenkbar, eitel. Ziemlich strukturlose Mutter, urteilte sie mitleidlos. Das musste nicht unbedingt heißen, dass dieser Typ Frau seinen Willen, oder was er dafür hielt, nicht durchzusetzen verstand. Lange hatte sie während ihres Studiums über diesem Phänomen gebrütet. Für ihren Geschmack traf das Weibergetue viel zu oft auf willfährige Männer und bekam dann eine brisante Wirkung. Sie vermutete dahinter das Zusammenspiel von verschleierter Unterwürfigkeit und latenter Machtgeilheit, eine Art Symbiose, die so zäh wie Pattex und nicht zu knacken war, es sei denn, man wurde grob und brauchte Gewalt.
    Sie selbst sah sich als Frau ganz anders. Sie glaubte auch, ganz anders zu empfinden als die meisten ihrer Geschlechtsgenossinnen. Das war mitunter ein echtes Problem.
     
    *
     
    »Wir sind gleich da. Über den Kanal und dann nur noch ein paar Kilometer. Sind Sie ausgeschlafen?«, fragte der Glatzkopf.
    Worauf wollte er hinaus? Sie wusste mit der Frage nichts anzufangen. Der Mann war nicht so leicht zu durchschauen wie die Frau. Er hatte das Kommando, das war ihr schon klar. Aber sein Auftreten war so, als wäre er gar nicht wirklich da. Er war klein und schmal, strahlte aber eine Gefährlichkeit aus, die sie vorsichtig machte.
    »Ja. Wieso?«, fragte sie spontan und biss sich sofort auf die Lippen. Peinliche Frage. Wird mir nicht noch einmal passieren, schwor sie sich.
    »Wir kommen bei Tageslicht da drüben an. Wir fliegen sozusagen mit der Sonne mit. Ich will sofort anfangen und fertig werden. Schlafen können wir hinterher immer noch.«
    Sie hielt bewusst den Mund. Schließlich hatte er sie auch nichts gefragt.
    »Weißt du schon, Klaus, wo wir übernachten werden?«, fragte ihre Mitfahrerin gelangweilt.
    »Best Western, centre ville.«
    »Oh, mein Gott! Wieder einmal das absolute Nonplusultra . Toll! Ich freue mich wirklich wahnsinnig«, erwiderte die Frau genervt.
    Ihre Ironie machte sie nicht sympathischer. Wer hatte eigentlich zu verantworten, dass diese Ziege nach Québec geschickt wurde, um dort einen schwierigen Job zu erledigen? Vielleicht war der Job ja gar nicht schwierig, überlegte sie.
    Zum Glück waren weder die Frau noch der Mann ihr Chef. Den sollte sie erst später treffen, wie der Glatzkopf sie gleich nach dem Aufbruch informiert hatte. Er hatte so geklungen, als sei er froh darüber. Es wäre ihr auch schwergefallen, einen von den beiden mit ›Chef‹ anzureden. Darauf legte sie großen Wert. Sie war von der Nützlichkeit von Hierarchien überzeugt und nicht davon abzubringen, ihre Einstellung im persönlichen Umgang auch deutlich zu machen. Sie selbst würde darauf bestehen, mit ›Chef‹ angeredet zu werden, wenn sie einmal die Karriereleiter erklommen und eine entsprechende Position erobert hatte.

Abreise
     
    Svenja hatte ihm zu seinem Glück gratuliert. Er durfte einen Ausflug nach Kanada machen, auf Staatskosten und mit nichts anderem belastet als mit zwei kultivierten Staatsanwälten. So sah sie das. Jungs Bericht vom Zusammentreffen mit Halsbenning und Riedel war oberflächlich geblieben. Die meiste Zeit war mit der Schilderung der Staatsanwältin und ihrer Garderobe draufgegangen. Er kannte die Vorlieben seiner Frau.
    »Benutzt du eigentlich außer ›Flowerbomb‹ noch ein Parfüm von Hermes?«, hatte Jung sie abschließend gefragt.
    »Wieso?«
    »Ich glaubte, an der Staatsanwältin ein Parfüm von Hermes gerochen zu haben.«
    »Unsere Nachbarin auf dem Flug nach Faro trug ›Un jardin sur le toit‹.«
    »Haha. Daher also.«
    »Du

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