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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Sie sorgte mit scheinbar dummen Fragen für Klarstellungen und Erläuterungen, die für das nötige Verständnis eines Laien unerlässlich waren. So ergaben sich wie beiläufig Einblicke in den unterschiedlichen Ausbildungs- und Kenntnisstand der Besatzung. Auch unterschiedliche Meinungen und Urteile kamen ans Tageslicht. Die Mariner kamen ins Schwitzen. Die Stimmung kippte mit fortschreitender Zeit.
    Sie fing an, die beiden mit anderen Augen zu sehen. Vielleicht lag das auch daran, dass sie sich in ihrem eigenen Urteil bestätigt sah und sich nicht mehr als blutige Anfängerin fühlte. Je länger die Befragungen anhielten, desto deutlicher schien zu werden, dass der Fall als Unfall einzustufen war, für den niemand anderer verantwortlich gemacht werden konnte als die Tote selbst. Dennoch ließen die Staatsanwälte die Mariner im Zweifel. Die Atmosphäre lud sich unheilvoll auf. Das Zuhören fiel ihr leicht. Ihre Konzentration blieb hoch. Die Strategie und Ausdauer der Staatsanwälte nötigten ihr Respekt ab.
    Gelegentlich musterte sie den Kommandanten. Er hatte darum gebeten, bei der Befragung seiner Besatzung anwesend sein zu dürfen. Die Staatsanwälte hatten keine Einwände erhoben, sich aber vorbehalten, bei Bedarf auch ohne ihn auszukommen. Sie sah dem Kapitän an, dass er gern das eine oder andere Mal dazwischengegangen wäre. Er beherrschte sich aber und schwieg eisern. Irgendwann zwischendurch stand er auf, griff zum Telefon und bestellte eine Runde Kaffee. Halsbenning unterbrach seine Befragung und sah ihn an, sagte aber nichts und fuhr gleich darauf in seiner Arbeit fort.
    Der Mann, der ihnen den Kaffee brachte, passte nicht hierher. Nicht nur, weil er keine Uniform trug. Seine dicken Brillengläser machten riesige Augen. Sie irrten nervös zwischen den Anwesenden hin und her. Er hatte einige Mühe, den Kaffee, ohne zu kleckern, einzuschenken. Mittel- und Ringfinger seiner rechten Hand waren verkrümmt. Er konnte sie nicht strecken. Diese Krankheit hatte einen fremdartigen Namen, fiel ihr ein. Er arbeitete so, als sei er taubstumm. Was hatte dieses Faktotum hier verloren?
    »Danke, Erwin. Ich melde mich, wenn ich noch etwas brauche«, entließ ihn der Kommandant.
    So eine Art Butler, dachte sie und probierte den Kaffee. Wenigstens der war gut.
     
    *
     
    Am Ende schien alles geklärt zu sein. Nur die Frage, ob Anklage erhoben werden würde oder nicht, ließ Halsbenning offen. Es gäbe noch das eine oder andere näher zu beleuchten, ergänzte die Riedel sibyllinisch. Ihr schien diese Bemerkung infam und nur mit der Absicht gemacht, die Mariner nicht in Sicherheit zu wiegen und sie unter Spannung zu halten. Warum?, fragte sie sich.
    Es war spät geworden. Sie hatte Hunger. Die Staatsanwälte sicherlich auch. Ein wohlwollender Gastgeber hätte das gespürt und für Abhilfe gesorgt, insbesondere auf einem Schiff, das dafür alle Voraussetzungen mitbrachte und sich auch noch einen Butler leistete. Aber der Kapitän hatte keine Anstalten in diese Richtung unternommen. Er war bis zum Schluss kontrolliert und höflich. Aber er war sauer. Das schien ihr mehr als deutlich.
    Die Verabschiedung war förmlich. Man verabredete sich auf den nächsten Vormittag. Der Kapitän nahm sie zur Seite.
    »Frau Bakkens, Sie sind die Assistentin von Kommissar Jung. Wo ist er?«
    »Ich bin Praktikantin bei Kriminaloberrat Jung. Zuletzt habe ich ihn bei der Passkontrolle gesehen.«
    »Ach so! Ich verstehe. Dschibuti«, er lächelte vielsagend.
    »Was?«, fragte sie verblüfft.
    »Okay. Schon gut. Könnten Sie ihm etwas ausrichten?«
    »Sicher. Um was geht es?«
    »Wenn es passt, würde ich den Kommissar und Sie natürlich auch morgen Mittag gern zum Essen bei mir sehen.«
    »Ich werde es ihm ausrichten. Wo und wann?«
    »Hier an Bord. Zwölf Uhr. Grüßen Sie ihn bitte von mir.«
    Er reichte ihr zum Abschied die Hand.
    Draußen leuchteten die ersten Sterne am Himmel. Ein Mariner komplimentierte sie in ein bereitstehendes Auto, um sie in ihre Unterkunft zu fahren. Nachdem sie eingestiegen und die Türen ins Schloss gefallen waren, breitete sich Stille aus. Die Staatsanwälte schwiegen, als hätten sie niemals etwas anderes getan. Sie schloss die Augen und lehnte sich zurück. Ihr Hunger und die einsetzende Entspannung machten sie müde.
    Im Hotel überreichte ihr der Farbige an der Rezeption ihre Codekarte und eine Nachricht von Jung. Er wolle sie gleich nach ihrer Ankunft sprechen. Sie erkundigte sich nach seiner Zimmernummer und

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