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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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aus seiner Andacht auf. Sofort fiel ihm die Kadettin ein, mit der sein Sohn zusammen gewesen war und von der er geschrieben hatte. Warum war sie nicht mit ihm in Kontakt getreten?, fragte er sich bitter.
    Er vernahm Schritte und das Klappern eines Eimers. Geschieht den Mädchen ganz recht, dachte er. Er prostete sich noch einmal zu und stürzte einen ordentlichen Schluck Wodka hinunter. Sein Schlund brannte. Frauen hatten an Bord nichts verloren. Sie brachten nur Unglück. Das wusste jeder, der sich auf den Weltmeeren den Titel Seemann verdient hatte. Dabei dachte er wieder an seinen toten Sohn. Er spülte die aufkeimende Wut mit einem weiteren Zug hinunter. Ich werde die Mädchen im Auge behalten, schwor er sich. Eine von ihnen musste es ja gewesen sein. Er würde die Dienstpläne am Aushang im Vorschiff studieren und danach wissen, wann und auf welcher Station sie Wache gingen. Er setzte den Flachmann nochmals an, schraubte den Verschluss zu und steckte den Flachmann wieder weg.
     
    *
     
    »Hast du schon mit ihm gesprochen, Ellen?«
    »Schließ die Tür, Ina.«
     
    *
     
    Er hörte, wie ein Schott geschlossen wurde und dann das Scharren eines Koppels an der Wand. Er lauschte angespannt.
     
    *
     
    »Warst du schon im Revier, Ellen? Ich würde das als Erstes tun.«
    »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich auch nur den klitzekleinsten Gedanken darauf verschwende. Zu diesem fetten Ekel von Schiffsarzt? Niemals! Der Typ ist aus Scheiße, da kommt auch nur Scheiße raus.«
    »Aber was willst du denn machen? Du musst dir was einfallen lassen, wenn du wieder klarkommen willst.«
    »Weiß ich, Ina, weiß ich. Übermorgen machen wir in Schlicktown fest. Bis dahin ist mir was eingefallen.«
    »Hast du denn nun mit Bastian gesprochen oder nicht?«
    »Wo denn, wann denn, wie denn? Ina, ich bitte dich! Auf diesem Scheißdampfer bist du nie allein, es gibt kein ruhiges Plätzchen, alle hören mit und machen blöde Witze. Der Arsch lacht mich aus. Ich weiß noch nicht einmal genau, ob es überhaupt etwas zu besprechen gibt.«
    »Was ist nur los mit dir, Ellen?«
    »Was soll sein? Alles Scheiße!«
    »Warum sitzt du da rum wie ein kaputter Käfer?«
    »Ich bin müde, verstehst du? Alle naselang Wache, dazwischen Unterricht, keinen Schlaf. Scheißschiff! Ich möchte endlich mal wieder in einem richtigen Bett schlafen.«
     
    *
     
    Klang nicht gut, was die beiden sich zu erzählen hatten. Keine gute Wahl, falls es eine von den beiden gewesen sein sollte, dachte er bestürzt. Aber das war ziemlich unwahrscheinlich. Sein Sohn hätte eine andere ausgewählt. Da war er ganz sicher. Er fragte sich zum wiederholten Mal, warum Frauen überhaupt an Bord gelassen wurden.
     
    *
     
    »Du bist nicht die Einzige, Ellen. Sei ehrlich, da ist doch was oberfaul. Nun erzähl schon!«
    »Wenn ich das nur wüsste. Ist alles zu viel für mich, Ina, verstehst du? Aus dem Mast geholt, Bastian sieht mich auch nur noch mit demArsch an, meine ausbleibende Periode, die Sache mit Momme. Ach, was weiß ich. Ich bin einfach fertig, Ina.«
     
    *
     
    Er erschrak. Seine Augen weiteten sich. Seine Hand fuhr instinktiv zu seiner Brusttasche. Er hielt aber in der Bewegung inne und legte stattdessen das Ohr an die Wand.
     
    *
     
    »Was hattest du eigentlich mit Momme am Laufen?«
    »Gar nichts.«
    »Gar nichts? Wirklich?«
    »Absolut gar nichts, Ina. Ich schwör’s.«
    »Hätte mich auch gewundert, wenn du mit diesem Asi was angefangen hättest.«
    »Asi? Wieso?«
    »Hast du das nicht bemerkt? Der kam doch von ganz unten. Hatte ’nen Geschmack wie ’n Ossi. Was war denn los an dem Abend?«
    »Scheiße. Wirklich, absolute Scheiße. Ich hatte Langeweile und wollte nur ’n bisschen Spaß.«
    »Und? Hattest du?«
    »Der Typ war so öde wie ’ne Ölsardine.«
    »Und?«
    »Er wollte mich angraben. Stotterte rum wie ein Spastiker.«
    »Und weiter? Was war dann?«
    »Ich ließ ihn sitzen. Fertig, scheiß drauf. Sagte ich doch schon.«
    »Ein Loser also. Toller Abgang. Äußerst witzig.«
    »Er hatte getrunken.«
    »Besoffen von der Pier gekippt. Das passt zu diesen Typen.«
    »Meine Lieblingsjacke ist auch weg. Schöne Scheiße!«
     
    *
     
    Er holte den Flachmann hervor und stürzte einen kräftigen Schluck hinunter. Seine Unterlippe zitterte. Der Wodka tropfte ihm übers Kinn. Hastig wischte er die Flecken vom Hemd. Das Telefon erlöste ihn. Er nahm sein Ohr von der Wand, ergriff den Hörer und meldete sich.
    »Steward … Ja, Herr Kap’tän … Wie

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