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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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nicht. Der Gewinn ist höher, der Verlust entsprechend schmerzlich. Sehr übersichtlich das Ganze und zeitlich begrenzt«, ergänzte der ältere.
    »Okay. Wer gibt?«, fragte Jung entschlossen.
     
    *
     
    Als die korpulente Beamtin die Tür öffnete, stand Jung mit gut 25 Euro in der Kreide. In der Zwischenzeit war er schon einmal mit achtfünfzig im Plus gewesen.
    »Everything okay, gentlemen.« Sie überreichte ihnen ihre Pässe. »Your baggage is already outside. Have a nice time in Canada. Good bye.«
    »Good bye«, echoten die Männer gleichzeitig.
    Als sie das Tageslicht zu Gesicht bekamen, lag die Sonne auf dem Horizont, und es begann zu dämmern. Vor dem Arrival erwartete sie ein Mariner. Er hatte ihr Gepäck schon in einem riesigen Toyota Geländewagen verstaut und begrüßte sie.
    »Willkommen in Québec. Da sind Sie ja endlich. Ich soll Sie gleich ins Hotel fahren.«
    »Wissen Sie, wo meine Kollegin und die Staatsanwälte sind?«, fragte Jung.
    »Die sind noch an Bord. Wenn ich Sie abgesetzt habe, bringe ich die Kisten aufs Schiff und transportiere die Herrschaften anschließend zu Ihnen. Sie wohnen im gleichen Hotel.«
    Jung war es recht so. Auf dem Weg in die Stadt blickte er interessiert aus dem Fenster. Das war nicht Europa. Das hatte er auch nicht erwartet, aber auch nicht diese Wildnis so nahe an einer Großstadt. Er hatte den Eindruck, als sei die Zivilisation eingedampft und als lockte da draußen eine gefährliche Freiheit. Sein Eindruck verblasste auch nicht, als sie die Vorstädte von Québec passierten. Auf der mehrspurigen Autoroute sah er auffällig viele Pick-ups und Offroader, rechts und links ausgedehnte Einkaufscenter, Parkplätze, so groß wie mehrere Fußballfelder, moderne Zweckbauten aus Beton und Glas, tennisplatzgroße Billboards. Später, nachdem sie die Auroroute verlassen hatten, fuhren sie vorbei an eng aneinandergereihten Holzhäusern, bunt wie in Norwegen, mit struppigen Vorgärten, Klimakästen an Fassaden und Fenstern, Versorgungsleitungen an schief stehenden Holzmasten und Trottoire, aus denen in den Fugen der Pflasterung Unkraut wucherte.
    Der fünfgeschossige Hotelklotz lag außerhalb von Vieux-Québec, an der rue de la Couronne gegenüber des Jardin de Saint-Roch. Sie wurden schon ungeduldig erwartet. Es war inzwischen früher Abend geworden. Der Farbige an der Rezeption händigte ihnen die Codekarten für die Zimmer aus. Jung hinterlegte eine Nachricht für Mlle. Bakkens. Dann machte er sich auf die Suche nach seiner Schlafstätte.
    In den langen Fluren schwebte ein Mief aus Raumspray und Desinfektionsmittel. Zimmer reihte sich an Zimmer, und die Treppenhäuser waren nur Fluchtwege vor Feuer und Gewalt. Er nahm einen der vielen Aufzüge in den zweiten Stock. Er kam sich vor wie in einer Kaserne. Die roten Teppiche und die Bilder an den Wänden der Flure heiterten ihn nicht auf. Dagegen erschienen ihm das geräumige Zimmer und das großzügige Bad mit Bidet, extragroßem Schminkspiegel und diversen Körperpflegemitteln von Sutton&Foster wie ein unpassender Luxus. Der zweifelhafte Komfort wurde ihm zusätzlich schal angesichts von Fenstern, die nicht zu öffnen waren, von dunkler, schwerer Möblierung aus Holzimitat und von Plastikmarmor und goldglänzenden Billigarmaturen.
    Jung hielt sich nicht lange auf. Er warf sich so, wie er war, nur ohne Schuhe, auf das breite Doppelbett und schlief sofort ein.

Der Lauscher
     
    Heute hatte der Erste Offizier Großreinschiff auf den Dienstplan gesetzt. Während das Schiff stundenlang geschrubbt und gewienert wurde, verholte er sich in seine aufgeklarte, saubere Pantry und machte Pause. Draußen stand er nur im Weg. Die Pantry gegenüber der Offiziersmesse war sein Reich. Hier herrschte er unumstritten. Niemand durfte seine Ordnung durcheinanderbringen. Selbst die Reinigungsarbeiten überließ er nicht den Gasten, die dafür abgeteilt waren. Er hasste es, wenn sie dennoch ab und zu sein Reich betraten, um Fundsachen abzugeben oder irgendetwas zu erledigen, was die Ausbilder und Offiziere ihnen befohlen hatten. Die Kadetten wussten, dass sein Reich eigentlich tabu für sie war.
    Er lehnte sich an die Kühlschranktür und zog seinen Flachmann aus der Brusttasche. Nebenan in der Offiziersdusche rumorte die Reinigungsgang. Er nahm einen kräftigen Schluck, schraubte den Verschluss wieder zu und blickte versonnen auf das silberne Schmuckstück. Sein Vater hatte es ihm vererbt. Von nebenan hörte er Mädchenstimmen. Sie scheuchten ihn

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