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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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Mühe … «
    »Was hat sie denn erzählt?«, drängelte sich Jung dazwischen.
    »Tomi! Kannst du mal die Klappe halten?«
    »Okay. Ich schweige ab jetzt wie ein Grab.«
    »Gut so. Also, sie erzählte, dass der Wunsch ihrer Tochter, zur Marine zu gehen, sehr stark gewesen sei, so stark, dass sie sich Sorgen gemacht habe. Die Veränderungen hätten ihr geradezu Angst eingejagt. Auf meine Nachfrage führte sie unter anderem an, dass ihre Tochter von der Aussicht, demnächst zur See zu fahren, so besessen gewesen sei, dass sie von allen guten Geistern verlassen schien. Sogar über den tragischen Tod eines Crewkameraden habe sie sich lustig gemacht, obwohl sie kurz vorher noch mit ihm aus gewesen war. Scheint also ziemlich einschneidend gewesen zu sein.« Franzen schwieg.
    »Was meinst du mit einschneidend ?«, fragte Jung gespannt.
    »Das klingt alles nach Aufgeregtheit, nach psychischem Ausnahmezustand.«
    »Ja, natürlich. Das ist doch nicht verwunderlich.«
    »Wieso?«
    »Sie steuert ihren Traumberuf an. Als Frau beim Militär. Das allein genügt schon. Dazu fährt sie zur See mit lauter Männern. Es ist auch nicht unbedingt an der Tagesordnung, dass ein Mensch aus ihrer Nähe ertrinkt. Außerdem ist sie jung.«
    »Sie war jung, Tomi. Ich habe ihren Obduktionsbericht gelesen.«
    »Natürlich. Und? Irgendwas Besonderes? Schwanger, Alkohol im Blut, Leberschaden … «
    »Bevor du weitermachst, lass es gut sein. Sie war beneidenswert gesund und unversehrt. Und auch nicht schwanger. Nichts im Blut, was da nicht hingehört. Von ein paar schwachen Hämatomen und Abschürfungen abgesehen, absolut nichts. Von Gewalt keine Spur. Für eine Frau hatte sie sehr kurze Fingernägel. Unlackiert.«
    »Alles per se erklärlich.«
    »Sehe ich auch so. Ich dachte allerdings, das Herumturnen in den Wanten hinterlässt tiefere Spuren. Verwundert mich.«
    »Mich nicht«, erwiderte Jung lapidar. »Schick mir den Bericht. Ich will ihn noch einmal durchgehen. Danke fürs Erste.«
    »Gern. Was treibst du da drüben eigentlich? Du ermittelst doch nicht etwa?«
    »Man hat mir eine Praktikantin aufs Auge gedrückt. Ich muss sie beschäftigen. Dümmling und Vulgär langweilen sie. Mich übrigens auch.«
    »Dann ist sie ja an den Richtigen geraten«, lachte Franzen. »Hast du sie schon vergrault?«
    »Ganz im Gegenteil. Sie ist aufdringlich. Ich fühle mich von ihr verfolgt. Sie überfällt mich mit Weisheiten, die ich gar nicht hören will. Frisch von der Schule.«
    Sie lachten, und eine Pause entstand.
    »Morten, ich muss Schluss machen. Irgendwas stört mich, und ich weiß nicht, was. Wenn ich klarer sehe, ruf ich dich vielleicht noch einmal an.«
    »Okay. Ich bin den restlichen Tag und die Nacht in der Inspektion. Bereitschaftsdienst. Tu dir keinen Zwang an.«
    »Danke. Bis dann.«
    »Tschüs, Tomi. Und viel Spaß mit der Praktikantin.«
    »Ich überlass sie gern dir, Morten.«
     
    *
     
    Würde er Charlotte wirklich gern los sein?, fragte sich Jung, während er sein Handy zuklappte. Ihre Gesellschaft war anregend, wenn auch hin und wieder anstrengend. Aber sie war ein besonderer Typ. Sie flößte ihm Respekt ein. Wenn sie der Prototyp für die nachwachsende Generation war, dann könnte die Zukunft doch nicht so deprimierend aussehen, wie bisher zu befürchten stand. Jedenfalls war sie eine ungewöhnliche Frau, gestand er sich ein.
     
    *
     
    Sie hatten sich am Quai 19 verabredet. Seine Laufausrüstung war professionell: Barfußlaufschuhe von Mizuno, Shirt und Hose von 2Xu. Ihre Route lief entlang des Stroms auf der Promenade de la Pointe-a-Carcy. Als sie den Place de Paris erreichten, waren sie warmgelaufen und hatten ihr Tempo einander angepasst. Charlotte stellte mit Befriedigung fest, dass er keinen Wettlauf anstrebte. Mit Männern hatte sie das oft erlebt. Dafür, dass er nicht die Möglichkeit hatte, regelmäßig zu trainieren, lief er wirklich gut. Sein Stil war leicht und flüssig.
    »Wie oft laufen Sie in der Woche?«, begann der Kapitän eine Unterhaltung.
    »Jeden Tag vorm Frühstück. Wenn’s passt, auch noch abends«, erwiderte Charlotte.
    »Das sieht man Ihnen an. Haben Sie nicht mal Lust, einen Turn auf einem Windjammer mitzusegeln?«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer, weder vom Segeln noch von der Marine.«
    »Das haben die Kadetten auch nicht. Jedenfalls, wenn sie frisch an Bord kommen.«
    »Ich habe die Untersuchungsakte gelesen und wenig verstanden. Was ist zum Beispiel ein Williamsturn oder eine Segeletage? Das müssen

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