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Mordsee

Mordsee

Titel: Mordsee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Pelte
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heimlich erfreut.
    »Hauptsache, die Staatsanwälte bleiben außen vor. Klar?«
    »Klar, Chef.«
    Sie stellten ihre Gläser zurück.
    »In der Liste der Hinterlassenschaften vermisst die Mutter einen Lederblouson, ein Handy und ein kleines Kosmetiktäschchen«, wechselte Jung das Thema. »Sie muss es wissen. Sie ist sehr fürsorglich, sagt mein Vertrauensmann.«
    »Haben Sie mit Em-Punkt-Franzen gesprochen?«
    »Ja«, erwiderte Jung, ohne mit der Wimper zu zucken. »Die Lederjacke ist an Land verschwunden. Das wissen wir jetzt. Was ist mit dem Handy?«
    »Es ist nirgendwo aufgetaucht. Vielleicht hat sie es in der Hand gehabt, als sie ins Wasser stürzte. Dann liegt es jetzt auf dem Meeresgrund.«
    »Sie dürfen nicht telefonieren. Warum wollte sie es dennoch dabeihaben?«, gab Jung zu bedenken.
    »Sie hat sich über die Vorschrift hinweggesetzt. Dafür hatte sie einen Grund.«
    »Welchen?«
    »Das wird schwierig.«
    »Sie als Frau, was würden Sie sagen? Was kann so wichtig für eine Frau sein, dass sie dafür empfindliche Strafen in Kauf nimmt? Schlimmstenfalls sogar die eigene Karriere aufs Spiel setzt?«
    »Liebe, Männer, Familie, Schwangerschaft? Aber schwanger war sie ja nachweislich nicht.«
    »Könnte es sein, dass sie ihr Handy bei anderer Gelegenheit verloren hat? Wie gehen Frauen mit Handys um, Charlotte?
    »Sie würden es jedem erzählen, wenn es weg ist. Ansonsten kann ich nicht mitreden. Ich bin anders als die typische Frau.«
    Jung wollte schon ›Schade!‹ sagen, hielt aber noch rechtzeitig inne, weil es nicht stimmte.
    »Dann ist die Frage nach dem Verbleib des Täschchens wohl überflüssig«, bemerkte er stattdessen.
    »Mit Kosmetik habe ich keine große Erfahrung«, bedauerte Charlotte scheinheilig.
    »Okay«, lachte Jung. »Haben wir sonst noch was?«
    »Wir könnten den Provider ausfindig machen und anfragen, ob und wann sie in der fraglichen Nacht vielleicht telefoniert hat. Und mit wem.«
    »Gute Idee. Schlechte Idee. Wir ermitteln gar nicht. Was wir tun, ist illegal.«
    »Dann frage ich eben illegal.«
    Jung lachte.
    »Machen Sie, was Sie wollen. Aber sagen Sie es niemandem. Okay?«
    »Mach ich.«
    »Mir fällt nichts mehr ein. Und Ihnen?«
    »Das Alibi der Kadettin ist dünn. Man müsste es genauer prüfen.«
    »Die Motivlage ist dünn«, entgegnete Jung abwehrend. »Sie ist tot. Alles, was wir von ihr wissen, deutet auf ein etwas kompliziertes Persönchen hin, aber nicht auf eine Totschlägerin.«
    »Aber Streit ist Streit«, widersprach Charlotte heftig. »Die Verletzungen brauchen nicht körperlicher Art zu sein. Seelische Verletzungen kann der Gerichtsmediziner nicht obduzieren. Seelische Vernichtung schon gar nicht. In erster Linie beherrschen Frauen diese Grausamkeiten. In dem anschließenden Gerangel kann schon mal was passieren.«
    »Na gut. Aber wie sagten schon die alten Römer? Cui bono? Wer hat was davon? Keiner«, beantwortete Jung seine eigene Frage.
    »Okay. Dann eben nicht«, reagierte Charlotte unwillig.
    »Wir sehen uns. Morgen beim Frühstück. Bis dahin ist mir was eingefallen«, schloss Jung das Gespräch.
    »Okay. Bis morgen, Chef.«
     
    *
     
    Jung blieb noch sitzen. Die Sonne senkte sich über die Stadt. Auf dem Place d’Armes flanierten die Menschen dicht an dicht. Manche hatten sich Decken mitgebracht und picknickten auf dem Rasen. Kinder warfen sich Frisbeeteller zu und ein paar alte Männer spielten Boule. Die Terrasse war bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Wein schmeckt ihm besser als das letzte Mal. Wie kann ich den alten Mann zum Reden bringen?, grübelte er. Als die Sonne die ersten Dächer berührte, wusste er, was er zu tun hatte. Ihm fiel auf, dass die Skrupel, die er sonst an dieser Stelle gehabt hätte, einer ungewohnten Gleichgültigkeit gewichen waren.

Zweiter Tag
     
    Sie schaute auf die Uhr. Kurz nach sechs. Kein Wind, nicht einmal ein Hauch. Der Himmel hatte sich über Nacht zugezogen. Regen strömte herab und legte einen Vorhang aus dicken Tropfen über die Stadt. Mit dem Laufen wird es nichts werden, dachte sie. Sie hätte sich auch gleich unter die Dusche stellen können.
     
    *
     
    »Schietwetter«, fluchte sie und setzte sich zu Jung an den Tisch.
    »Am Nachmittag soll es vorbei sein«, besänftigte er sie. »Das sagt der Wetterbericht im Fernsehen. Eine kurze, heftige Störung. Danach Sonne satt.«
    »Das beruhigt mich ja«, meinte sie munter. »Ich habe Neues.«
    »Was?«
    »Nachrichten. Welche wollen Sie zuerst hören? Die gute oder

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