Mordsfreunde
misstrauisch.
»Warum Sie nicht drangehen, wenn Kirchhoff anruft«, erwiderte Bodenstein. »Das tut er doch wohl dauernd, oder?«
»Stimmt. Dauernd.« Pia grinste auch. »Seit gestern Nacht ungefähr fünfzigmal.«
Es dauerte eine gute Stunde und rund zwanzig Telefonate, bis Ivo Percusic auf dem riesigen Gelände des Frankfurter Flughafens ausfindig gemacht worden war und am Informationsschalter in der Ankunftshalle C auftauchte. Er arbeitete bei einer Sicherheitsfirma, die für den Gebäudeschutz zuständig war. Pia schauderte bei seinem Anblick. Durchtrainierte eins fünfundachtzig, militärisch kurzer Haarschnitt, kantige Gesichtszüge – in der schwarzen Uniform des Sicherheitsdienstes sah Ivo Percusic wie ein Mann aus, mit dem man sich besser nicht anlegen sollte.
»Ihre Stieftochter ist verschwunden«, sagte Bodenstein. »Wann haben Sie Svenja das letzte Mal gesehen?«
Diese Nachricht schien Percusic zu beunruhigen.
»Wie – verschwunden?«, fragte er.
»Sie hat ihrer Freundin eine SMS geschrieben, dass sie für eine Weile ›abhauen‹ würde.«
Bodenstein stellte Percusic dieselben Fragen wie zuvor der Mutter des Mädchens, aber im Gegensatz zu ihr wollte Percusic Veränderungen an Svenja bemerkt haben. Sie sei in der letzten Zeit aggressiv gewesen, habe oft in ihrem Zimmer gesessen und geweint. Über den Grund für ihren Kummer habe sie aber nicht mit ihm sprechen wollen. Nein, Svenja und er hätten keine Probleme miteinander gehabt, das Mädchen habe ihn gemocht und respektiert, wie er sie übrigens auch.
»Svenja ist schwanger. Wussten Sie das?«
Der Mann zögerte. Das erste Mal schlich sich ein Ausdruckdes Unbehagens in sein bis dahin regloses Gesicht. Er nickte.
»Svenjas Mutter wusste das nicht«, sagte Bodenstein. »Wieso haben Sie es Ihrer Frau nicht erzählt?« Ivo Percusic zuckte die Schultern.
»Vielleicht deshalb nicht, weil Sie mit Ihrer Stieftochter geschlafen haben?«
»Nein«, erwiderte Percusic. »Das habe ich nicht.«
»Herr Percusic«, Bodensteins Stimme klang eindringlich, »Svenja ist verschwunden, nachdem sie wahrscheinlich Augenzeugin eines Mordes wurde. Außerdem wurde ihr Freund am vergangenen Montag brutal ermordet. Das hier ist keine nette Unterhaltung, verstehen Sie das?«
Der Mann starrte Bodenstein an.
»Jonas ist tot?«, fragte er fassungslos. »Ermordet?«
»Haben Sie Jonas gekannt?«, wollte Pia wissen.
»Ja, klar hab ich das«, Percusic nickte bestürzt.
»Warum haben Sie Ihrer Frau nichts von der Schwangerschaft Ihrer Stieftochter erzählt?«, hakte Bodenstein nach. »Dafür muss es doch einen Grund geben.«
»Svenja wollte das nicht. Ich musste es ihr versprechen«, erwiderte der Mann. Er ballte seine Hände zu Fäusten, kämpfte mit sich. »Letzte Woche ist sie spät nach Hause gekommen, so um vier Uhr morgens. Sie war völlig durcheinander und hat mir erzählt, dass sie einen Unfall mit dem Moped gehabt hätte.«
»Dienstag letzte Woche?«, vergewisserte sich Bodenstein. Percusic nickte.
»Sie hat wie verrückt geheult«, sagte er, »ich konnte sie kaum beruhigen. Dann hat sie gesagt, sie wäre schwanger. Und wüsste nicht von wem.«
»Wer kommt denn als Vater in Frage?«, wollte Pia wissen.
»Das hat sie nicht gesagt«, Percusic machte eine hilflose Bewegung mit beiden Armen. »Sie hat mir gesagt, dass sie keinen Bock auf die Jungs in ihrem Alter hat, eigentlich auch nicht auf Jonas. Und dann hat sie mir erzählt, sie hätte was mit einem verheirateten Mann. Ich hab gedacht, sie lügt.«
Percusic sprach ein gutes Deutsch, er hatte nach zehn Jahren in Deutschland kaum noch einen Akzent.
»Hat Svenja Ihnen erzählt, was Jonas getan hat?«, fragte Pia. »Diese E-Mail, die Fotos auf der Webseite?«
Percusic nickte erneut.
»Was genau hat sie Ihnen erzählt?«
Ivo Percusic überlegte einen Moment, kratzte sich an seinem fast kahlrasierten Schädel.
»Svenja war wütend auf Jonas, weil der irgendwas gemacht hat«, erinnerte er sich. »Es hatte was mit Jos Vater und mit dem Pauly zu tun. Deswegen haben sie Krach gehabt. Sie hat den ganzen Sonntag im Bett gelegen und geheult. Zu mir hat sie gesagt, sie würd sich umbringen, wenn Jo die Wahrheit rauskriegt.«
»Welche Wahrheit?«, fragte Pia.
»Keine Ahnung«, Percusic wich ihrem Blick aus. Er hatte sehr wohl Ahnung. Warum sagte er nicht, was er wusste? Pia reichte ihm das Foto, das Svenja beim Beischlaf mit einem Mann zeigte.
»Erkennen Sie den Mann auf dem Bild?«, fragte sie. Percusic
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