Mordsfreunde
hellblond gefärbtem Haar, verlebten Gesichtszügen und einem runzligen Dekolleté,das einen jahrelangen, exzessiven Solarienmissbrauch verriet. Bodenstein schätzte das biologische Alter von Svenjas Mutter auf Anfang fünfzig.
»Wahrscheinlich schläft sie bei einer Freundin«, sagte sie mit der tiefen Stimme einer starken Raucherin, als Bodenstein sie vom Verschwinden ihrer Tochter unterrichtete. »Manchmal vergisst sie, mir Bescheid zu sagen.«
Sie ging in die Küche und zündete sich eine Zigarette an.
»Wir vermuten, dass Ihre Tochter Augenzeugin eines Mordes war«, sagte Bodenstein.
»Was? Wer ist denn ermordet worden?«
»Hans-Ulrich Pauly, der Lehrer von Svenjas Freund«, Pia fragte sich, ob eine Mutter wirklich so wenig über das Leben ihrer Tochter wissen konnte. »Svenja kannte ihn gut. Ihm gehörte ein Bistro in Kelkheim, in dem sie und Toni oft sind.«
»Werfen Sie Svenja irgendetwas vor?« Die Frau lehnte sich gegen die Arbeitsplatte aus Granit und blinzelte, weil ihr Rauch in die Augen geraten war.
»Nein. Wir wollen nur mit ihr sprechen.«
»Ihre Tochter ist schwanger«, mischte Pia sich ein. »Und ihr Freund Jonas, der wohl der Vater ist, wurde am Montagabend ermordet.«
»Was?« Anita Percusic ließ die Zigarette sinken. »Jonas ist tot?«
Bodenstein und Pia wechselten einen Blick. »Ja«, sagte Bodenstein. »Hat Ihre Tochter Ihnen das nicht erzählt?«
»Nein«, murmelte Svenjas Mutter. Sie legte die brennende Zigarette achtlos in den Aschenbecher und setzte sich auf einen Küchenstuhl. Die Nachricht von Jonas' Tod schien sie erheblich mehr zu schockieren als die Schwangerschaft und das Verschwinden ihrer Tochter.
Einen Moment lang war es totenstill.
»Und was soll ich jetzt machen?«, fragte Svenjas Mutter ratlos und vorwurfsvoll zugleich. »Was erwarten Sie von mir?«
»Wo kann Svenja sein?«, wollte Bodenstein wissen. »Sie war seit letzter Woche nicht mehr arbeiten. Vor ein paar Stunden hat sie ihrer Freundin eine SMS geschrieben, danach aber das Handy ausgeschaltet, so dass wir es leider nicht orten können.«
Frau Percusic machte eine hilflose Geste.
»Wissen Sie überhaupt irgendetwas über Svenja?« Pia konnte kaum fassen, wie gleichgültig die Frau war. »Ihre Tochter ist noch minderjährig. Sie verletzen Ihre Aufsichtspflicht.«
»Hören Sie«, Anita Percusic blickte auf, »mein Mann arbeitet am Flughafen Schicht, und ich schufte von morgens bis abends, um Svenja ein Moped, einen Computer, einen MP3-Player und den ganzen anderen Mist zu bezahlen, damit sie mit ihren reichen Freunden mithalten kann. Aber alles, was ich von ihr kriege, ist Undank und ein motziges Gesicht!«
»Dürfen wir uns Svenjas Zimmer ansehen?«, bat Bodenstein.
Svenjas Mutter erhob sich, ging zum Zimmer ihrer Tochter und machte Licht. Das Bett war nicht gemacht, Kleider lagen herum, und es roch so, als sei seit Tagen nicht gelüftet worden. Pia setzte sich an den Schreibtisch des Mädchens und schaltete den Computer an. Es tat sich gar nichts. Sie bückte sich unter die Schreibtischplatte und stellte fest, dass das Gehäuse des Computers aufgeschraubt worden war. Die Festplatte fehlte. Pia machte ihren Chef darauf aufmerksam.
»Frau Percusic?«, rief Bodenstein. Die Mutter tauchte im Türrahmen auf, eine neue Zigarette brannte zwischen ihren Fingern.
»Hat Svenja ein Tagebuch geführt?«
»Nur in ihrem Computer. Und im Internet. Ein ... Bluff, oder so.«
»Blog«, schlug Pia vor. »Genau. Block.«
»Könnte Svenja zu Verwandten gegangen sein?«, forschte Bodenstein. »Gibt es einen Ort, an dem sie sich besonders wohl gefühlt hat, im Urlaub oder bei einer Klassenfahrt? Was ist mit ihrem leiblichen Vater?«
»Den kennt sie gar nicht«, erwiderte Frau Percusic. »Meine Mutter lebt in Berlin. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie da hin ist. Und sonst – Urlaub, Klassenfahrt? Nee, da weiß ich nichts.«
Im Zimmer des Mädchens fanden sich keine Fotoalben, keine Briefe, keine Zettelchen, Konzertkarten oder andere Erinnerungen, wie junge Mädchen sie gerne aufbewahren. Das Zimmer hätte jeder x-beliebigen Person gehören können, so wenig Persönliches war zu finden. Das war eigenartig.
»Hat Svenja sich in der letzten Zeit irgendwie verändert?«
»Keine Ahnung. Sie hat ja kaum den Mund aufgekriegt.«
»Warum?«
»Warum, warum – was weiß ich!«
Pia holte ein paar Fotos aus ihrer Tasche, unter anderem einen Ausdruck von dem Bild von Svenjas Webseite, das das Mädchen mit einem Mann
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