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Mordsfreunde

Titel: Mordsfreunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nele Neuhaus
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betroffenen Mienen an. Niemand sprach ein Wort, hinter ihnen lief stumm das Fußballspiel auf der riesigen Leinwand weiter.
    »Die Feier ist vorbei«, sagte Pia und ging zurück ins Haus.
     
    Bodenstein und Pia warteten in der Bibliothek, in der verglaste Bücherschränke bis unter die hohe, stuckverzierte Decke reichten. Minuten später betrat Carsten Bock den Raum und schloss die Tür hinter sich.
    »Was ist passiert?«, fragte er leise, sein Gesicht war blass, aber beherrscht. Er trat hinter einen der Sessel und legte seine Hände auf die Lehne.
    »Wir haben Jonas auf dem Grundstück Ihres Schwiegervaters im Schmiehbachtal gefunden«, sagte Pia. »Er ist heute nicht zu seiner mündlichen Abiturprüfung erschienen und hat seiner Freundin eine SMS geschickt, die wie ein Abschiedsbrief klang. Deshalb sind wir zu dem Grundstück gefahren. Dort hat er gestern Abend seinen Geburtstag gefeiert.«
    »Ich muss Ihnen erklären, weshalb wir Jonas nicht ... nicht vermisst haben«, Bock räusperte sich und suchte einen Moment lang nach den passenden Worten. »Er ist vor einer Weile hier ausgezogen und wohnte seitdem bei ... einem Freund.«
    »Wieso das?«, erkundigte Bodenstein sich.
    »Wir hatten Meinungsverschiedenheiten«, Bock setzte sich auf die vorderste Kante des Sessels und vergrub sein Gesicht in den Händen.
    »Wie ... wie ist er ...?«, fragte er dumpf und blickte auf.
    »Er wurde erhängt aufgefunden. Allerdings können wir im Moment noch nicht eindeutig sagen, ob es ein Suizid war oder nicht«, sagte Bodenstein. Obwohl er das sichere Gefühl hatte, dass Bock ihm die Wahrheit über den Auszug seines Sohnes verschwieg, tat ihm der Mann leid. Ein Kind zu verlieren war das Schlimmste, was Eltern widerfahren konnte. Wie viel schlimmer musste es erst sein, wenn man die letzten Worte mit seinem Kind im Streit gewechselt hatte?
    »Was bedeutet das?«, fragte Bock.
    »Es ist nicht auszuschließen, dass er ermordet wurde«, sagte Bodenstein. »Aus diesem Grund hat der Staatsanwalt eine Obduktion angeordnet.«
    Carsten Bock fuhr sich mit der Hand über das Gesicht.
    »Wie geht es jetzt weiter? Muss ich ... ich meine ...«, er konnte nicht mehr weitersprechen.
    »Nein. Wir haben Ihren Sohn zweifelsfrei identifiziert«, sagte Bodenstein.
    »Aber wir müssen in den nächsten Tagen noch einmal mit Ihnen und Ihrer Frau sprechen«, fügte Pia hinzu.
    »Warum?« Bock starrte sie aus blutunterlaufenen Augen an. »Jonas ist tot. Was gibt es da noch zu reden?«
    »Wenn Ihr Sohn tatsächlich einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist, ist es unsere Aufgabe, den Täter zu finden«, antwortete Pia. »Dazu brauchen wir Informationen über Jonas, seinen Freundeskreis und sein ganzes Umfeld.«
    »Außerdem«, sagte Bodenstein, »wurde am Dienstagabend ein Mann namens Hans-Ulrich Pauly getötet. Wir haben eine Nachricht von Ihnen auf seinem Anrufbeantworter gefunden. Vielleicht haben Sie schon gehört, dass wir Ihren Schwiegervater unter dringendem Tatverdacht verhaftet ...«
    »Sie haben ... was getan?«, unterbrach Bock ihn entgeistert und ließ die Hände sinken. Pia bemerkte ein winziges, panisches Flackern in seinen Augen, das sogleich wieder erlosch.
    »Das wissen Sie noch nicht?« Bodenstein war überrascht. »Wir haben Herrn Zacharias am Sonntag festgenommen. Er hat für die Tatzeit kein Alibi und wurde am Tatort gesehen, was er übrigens nicht bestreitet.«
    Carsten Bock erhob sich ruckartig, trat ans Fenster und starrte hinaus.
    »Bitte gehen Sie jetzt«, sagte er, ohne sich noch einmal umzudrehen. »Ich muss das jetzt alles erst einmal verarbeiten.«
     
    »Glauben Sie ihm, dass er das mit seinem Schwiegervater nicht gewusst hat?«, fragte Pia, als sie wenig später wieder zurück nach Kelkheim fuhren.
    »Das ist schon seltsam«, sagte Bodenstein nachdenklich, »aber vielleicht hat Zacharias' Frau vor lauter Scham selbst ihrer Tochter nichts darüber erzählt.«
    »Oder Frau Bock hat ihrem Mann nichts davon erzählt«, vermutete Pia. »Zwischen den beiden scheint es nicht zum Besten zu stehen. Haben Sie gesehen, wie sie ihn weggestoßen hat?«
    »Ja, das habe ich.«
    »Bock hat komisch reagiert, als Sie ihm von Zacharias erzählt haben.«
    »Er hatte zehn Minuten vorher erfahren, dass sein Sohn tot ist«, gab Bodenstein zu bedenken. »Da reagieren Menschen eben irrational.«
    »Nein«, widersprach Pia, »ich finde, er hat überhaupt nicht irrational reagiert. Als Sie Zacharias erwähnten, hat er richtig erschrocken ausgesehen.

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