Mordsfreunde
Bodensteins Augenbrauen erschien eine steile Unmutsfalte.
»Geht an die Arbeit«, er erhob sich abrupt. »Wir sehen uns heute Nachmittag. Frau Kirchhoff, Sie kommen in mein Büro.«
Die Runde löste sich unter allgemeinem Stühlerücken auf,und Pia folgte ihrem Chef mit einem flauen Gefühl im Magen. Bodenstein schloss die Tür hinter sich und drehte sich um.
»Wann haben Sie die Akte gelesen?«, fragte er knapp.
»Als sie gekommen ist«, erwiderte Pia, die sich keinen Reim auf das eigenartige Verhalten ihres Chefs machen konnte.
»Und bei der Lektüre ist Ihnen nichts aufgefallen?«
»N... nein.«
Bodenstein ging hinter seinen Schreibtisch und setzte sich.
»Ich halte Ihnen zugute, dass Sie durch den Mord an Jonas Bock abgelenkt waren«, sagte er förmlich. »Das tote Mädchen hieß Marion Rehmer. Stefan Siebenlist hat eine Bärbel Rehmer geheiratet, und wenn mich mein Gedächtnis nicht im Stich lässt, hat er uns erzählt, dass das Anfang der achtziger Jahre geschehen ist. Die Erbin vom Küchenhaus Rehmer. Waren die Mädchen vielleicht verwandt?«
Pia wurde rot. Das hätte ihr wirklich auffallen müssen.
»Ich habe es tatsächlich übersehen«, gestand sie. »Tut mir leid. Ich fahre gleich zu Siebenlist.«
»Tun Sie das«, sagte Bodenstein kühl, »ich weiß, dass wir ziemlich viel zu tun haben, aber gerade wenn es um einen Mann geht, der für die Tatzeit kein Alibi hat, sollten Sie doch ein wenig aufmerksamer sein.«
»Ja, Chef«, sagte Pia kleinlaut.
»Fragen Sie Siebenlist nach seinem Alibi«, Bodenstein griff nach dem Telefonhörer, um Cosima anzurufen. »Wenn er nicht mehr hat als neulich, nehmen Sie ihn fest.«
Pia nickte, blieb aber noch stehen. Sie glaubte nicht, dass Siebenlist Pauly getötet und danach auch noch abtransportiert hatte. Ihr Verdacht galt Matthias Schwarz. Paulys Hunde kannten ihn, weil er oft genug bei Esther Schmitt gewesen war, sie hätten ihm nichts getan. Außerdem wäre es für Schwarz überhaupt kein Problem gewesen, die Leiche abzutransportieren.
»Was gibt es noch?«, fragte Bodenstein ungehalten. »Nichts«, sagte Pia und ging hinaus.
Sie fuhr nicht sofort nach Kelkheim, sondern setzte sich an ihren Computer und suchte in den Zeitungsarchiven von 1982 nach Artikeln über den Todesfall. Bei der Taunus-Umschau wurde sie fündig, denn die hatte ihr Archiv bis ins Jahr 1973 digitalisiert.
»Was wollte der Chef noch von dir?«, erkundigte sich Ostermann.
»Ich hab was übersehen«, antwortete Pia, die es zu schätzen wusste, dass Bodenstein sie wenigstens nicht vor versammelter Mannschaft heruntergeputzt hatte. Trotzdem hatte sein Verhalten sie verletzt. Sie druckte den Zeitungsartikel aus und hatte ihn gerade durchgelesen, als Bodenstein mit finsterer Miene in ihr Büro kam.
»Sie sind ja noch hier«, fuhr er sie an. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, schnappte Pia sich ihre Tasche, stopfte den Ausdruck des Artikels hinein und ging stumm an Bodenstein vorbei hinaus. Sie wusste, dass ihr Chef sich Sorgen um seine Frau machte, aber er musste seinen privaten Frust wahrhaftig nicht an ihr auslassen!
Stefan Siebenlist war alles andere als erfreut, als er Pia durch den Ausstellungsraum seines Möbelgeschäfts kommen sah.
»Ich habe nur wenig Zeit«, sagte er mit einem bemühten Lächeln. Sie verzichtete bei der Erinnerung an seinen feuchten Händedruck auf eine förmliche Begrüßung.
»Ich auch. Machen wir's kurz. Ich habe mir die Akte von dem angeblichen Unfall im Jahr 1982 kommen lassen und ...«
»Nicht hier!«, unterbrach Siebenlist sie. »Gehen wir in mein Büro.«
Pia folgte ihm in einen kleinen, vollgestopften Raum nebender Küchenabteilung. Er schloss die Tür und blieb dicht vor Pia stehen.
»Wieso haben Sie uns nicht gesagt, dass das Mädchen, das damals gestorben ist, Ihre Schwägerin war?« Pia kam gleich auf den Punkt, denn sie wollte dieses Gespräch schnell hinter sich bringen. Sie hatte keine Erklärung dafür, aber Siebenlist flößte ihr körperliches Unbehagen ein.
»Was spielt denn das für eine Rolle?« Seine wässrigen Augen flackerten. »Es war ein Unfall.«
»Marion war die ältere Schwester Ihrer Frau«, antwortete Pia, »sie war verlobt. Sie und ihr Mann hätten das Möbelhaus geerbt.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Der Tod Ihrer Schwägerin hat sich positiv auf Ihre berufliche Laufbahn ausgewirkt«, Pia sah ihn an.
»Unsinn«, bestritt Siebenlist. »Es gab damals weder eine Anklage noch ein Verfahren gegen mich. Ich habe nichts
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