Mordsfreunde
getan. Was soll das?«
Pia konnte es nicht leiden, wenn ihre Gesprächspartner ihr nicht in die Augen schauten, ganz plötzlich überkam sie wieder das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der körperlichen Überlegenheit eines Mannes. »Ich sage Ihnen, was ich denke«, sie zwang sich zu äußerlicher Gelassenheit. »Pauly wusste, was damals passiert ist, und Sie hatten Angst, dass eine Wahrheit ans Licht kommt, die Sie vierundzwanzig Jahre lang verbergen konnten. Deshalb haben Sie Ihren einzigen Mitwisser getötet.«
Siebenlist fuhr nervös mit der Zunge über seine fleischigen Lippen.
»Marion ist ins Koma gefallen, nachdem sie ein paar Cocktails getrunken hatte. Sie wussten, dass sie Diabetikerin war, erkannten aber unverhofft Ihre Chance, nämlich indem Sie dem Notarzt verschwiegen, was mit dem Mädchen los war.Marion starb, Ihre Frau erbte das Möbelhaus, Sie wurden Chef.«
»Das können Sie nicht beweisen«, sagte Siebenlist. »Und Sie können mir wegen dieser alten Geschichte kein Mordmotiv andichten.«
»Ach nein? Sie waren wütend auf Pauly, hatten Angst um Ihren Ruf und Ihr Ansehen und sind bei ihm gesehen worden. Für den späteren Abend haben Sie kein Alibi«, Pia zuckte die Schultern. »Das reicht für einen Haftbefehl. Und wenn wir uns noch etwas umhören, werden wir vielleicht mehr erfahren, als Ihnen recht sein kann. Unterlassene Hilfeleistung ist schon schlimm genug.«
»Das ist alles längst verjährt.«
»Im juristischen Sinne ist es das«, Pia ergriff ihr Handy, um einen Streifenwagen zu rufen. »Die Familie Ihrer Frau mag das anders sehen. Haben Sie einen Anwalt? Am besten bestellen Sie ihn gleich aufs Kommissariat. Ich nehme Sie nämlich vorläufig fest.«
Allmählich schien dem Mann zu dämmern, dass sie es ernst meinte.
»Sie können mich doch nicht vor allen meinen Kunden und Mitarbeitern abführen!«, rief er. »Wissen Sie, was das bedeutet? Morgen weiß ganz Kelkheim, dass ich unter Mordverdacht stehe!«
»Bringen Sie mir ein Alibi für den Dienstagabend und erinnern Sie sich, was vor vierundzwanzig Jahren wirklich geschehen ist«, sagte Pia. »Dann können Sie für den Rest Ihres Lebens unbehelligt Betten und Küchen verkaufen.«
»Ich lasse es nicht zu, dass Sie mir wegen so einer alten Geschichte alles ruinieren, was ich mühsam aufgebaut habe«, in Siebenlists Augen blitzte es drohend auf. Er machte einen Schritt in ihre Richtung, und Pia glaubte schon, er wolle sich auf sie stürzen und sie würgen. Aber plötzlich griff er sich andie Brust, schwankte und taumelte. Er lockerte seine Krawatte und stützte sich mit beiden Händen am Schreibtisch ab.
»Erzählen Sie mir jetzt, was ich wissen will, oder soll ich meine Kollegen anrufen? Was haben Sie am Abend des 13. Juni getan, nachdem Sie bei Pauly waren?«
»Mein Herz«, flüsterte Siebenlist mit gepresster Stimme, »o Gott, mir ist schlecht.«
Pia blickte ratlos auf seinen Rücken. Das fehlte noch, dass dieser grässliche Mensch vor ihren Augen zusammenbrach und sie gezwungen war, ihm Erste Hilfe zu leisten! Er riss die Schubladen seines Schreibtisches auf und wühlte in ihnen herum.
»Meine Frau ...«, japste Siebenlist und ging in die Knie, »rufen ... Sie ... meine Frau ... bitte ...«
Mit einem Röcheln kippte er zur Seite und schlug dumpf auf dem Boden auf. Pia fluchte und riss die Tür auf. Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Noch eine ganze Weile, nachdem er aufgelegt hatte, starrte Bodenstein das Telefon an. Er wünschte, das, was Cosima ihm gerade erzählt hatte, hätte ihn beruhigt, aber Blutbild hin oder her, er merkte doch, dass mit ihr seit Wochen irgendetwas nicht in Ordnung war. Dazu kam dieser vertrackte Fall, der sich zu einem zähen, zeitraubenden Geschäft entwickelte. Dauernd öffneten sich neue Abgründe, tauchten Verdächtige mit neuen, starken Motiven auf, die sich bei genauerer Überprüfung aber als Sackgassen entpuppten. Das Telefon klingelte auf der internen Leitung. Es war Ostermann, er klang ungewöhnlich aufgeregt.
»Chef«, sagte er, »ich habe gerade die Fotos von der SIM-Karte aus Jonas' Handy bekommen. Das müssen Sie sich anschauen.«
»Ich komme.« Vielleicht bekam er ja endlich etwas Greifbaresin die Hand, mit dem er den nach handfesten Ergebnissen lechzenden Kriminaldirektor Nierhoff glücklich machen konnte. Wenig später betrachtete er die Vergrößerungen der Fotos, die nach einer Spezialbehandlung im Labor nun deutlich zu erkennen waren. Jonas hatte Dokumente,
Weitere Kostenlose Bücher