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Mordsgefluester

Mordsgefluester

Titel: Mordsgefluester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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angenehm durchschnittlich wirkte – es war nicht so groß, dass es Neid erweckt hätte, und nicht so klein, dass er das Gefühl bekommen konnte, unerwünscht zu sein. Ich habe gehört, im Krankenhaus gehen sich die Kollegen gern gegenseitig an den Kragen.
    »Ich habe die Akten persönlich herausgesucht«, sagte er, »und die Fotos ohne Namen in eine eigene Datei kopiert, damit keine Datenschutzbestimmungen verletzt werden. Bitte setzen Sie sich hierhin.« Er deutete auf einen Stuhl vor einem LCD-Monitor, und ich setzte mich. »Das sind alle Mitarbeiter, mit denen sie am Abend Ihres Unfalls zu tun hatten«, sagte er. »Das schließt die Radiologie und Nuklearmedizin und das Laborpersonal ein. Und natürlich den Empfang.«
    Ich hatte mit mehr Menschen im Krankenhaus zu tun gehabt, als ich mir hätte träumen lassen. Ich erkannte mehrere Gesichter wieder, darunter das von Dr. Tewanda Hardy, dem Arzt, der mich entlassen hatte. Weil sich Frisuren ändern lassen, ließ ich die Haare außer Acht und konzentrierte mich auf die Gesichter und vor allem die Augen. Mir war im Gedächtnis geblieben, dass sie sehr lange Wimpern gehabt hatte und dass ihre Augen auch ohne Mascara faszinierend gewirkt hatten.
    Sie war nicht dabei. Dessen war ich hundertprozentig sicher, trotzdem ging ich auf Foresters Drängen alle Gesichter ein zweites Mal durch, um danach genauso energisch den Kopf zu schütteln wie beim ersten Mal.
    »Dann sehen wir die Überwachungsbänder des Stationsflurs durch«, sagte Lawless. »Leider hat diese Station kein digitales Überwachungssystem, noch nicht, aber ich arbeite daran. In der Notaufnahme und allen kritischen Bereichen gibt es bereits eines, aber nicht auf dieser Station. Immerhin ist die Bandqualität gut.«
    Er schloss die Jalousien vor dem Fenster, um den Raum abzudunkeln. Das Band lag bereits im Videorecorder, denn er drückte nur einen einzigen Knopf, und schon erschien auf einem zweiten Monitor ein verschwommenes Farbbild.
    »Das Band hat eine Zeitspur«, sagte er. »Wissen Sie noch, wann die Schwester ungefähr bei Ihnen im Zimmer war?« Er tippte mit dem Stift auf die Tür zu meinem Zimmer. Weil die Kameras in die Decke eingelassen waren, wirkten alle Proportionen verschoben, aber die Bilder waren scharf und klar.
    Ich begann zu rechnen. Siana war morgens gegen halb neun gekommen, aber obwohl Mom einen Termin gehabt hatte, war sie noch bei mir gewesen, also – »Zwischen acht Uhr dreißig und neun Uhr morgens«, flüsterte ich.
    »Gut, das ist ein relativ schmales Fenster. Mal sehen, ob wir etwas sehen.« Er spulte das Band vorwärts und ließ die Menschen den Korridor auf und ab und aus den Zimmern flitzen wie Chihuahuas auf Speed. Zweimal hielt er das Band an, um die Uhrzeit zu kontrollieren, dann war er ein wenig zu weit gerutscht und musste ein Stück zurückspulen. »Los geht’s.«
    Überwachungsbänder sind interessant. Ich sah Siana in mein Zimmer schlendern und ließ Forester und Lawless ein paar Sekunden Zeit, um sich von ihrer Sprachlosigkeit zu erholen. »Jetzt müsste sie gleich kommen«, flüsterte ich. »Sie hatte einen rosa Kittel an.«
    Dann erschien sie, um genau acht Uhr siebenundvierzig.
    »Das ist sie«, hauchte ich und deutete auf den Bildschirm. Mein Herz begann schnell und fest zu klopfen. Sie war es, zweifelsfrei: im rosa Kittel, groß und schlank, marschierte sie forsch auf mein Zimmer zu und trat ein. Auf dem Bildschirm wirkte das braune Haar, das ihr auf die Schultern hing, unnatürlich dunkel. Sie trug ein Klemmbrett, das mir damals gar nicht aufgefallen war, aber hey, immerhin litt ich an einer Gehirnerschütterung. Die Kamera erfasste sie nur von hinten, deshalb war ihr Gesicht überhaupt nicht zu sehen, nur gelegentlich ein winziges Stückchen Kinn.
    Beide Männer beugten sich über den Monitor und beobachteten den Bildschirm gespannt wie zwei Katzen, die einer Maus vor ihrem Mauseloch auflauern.
    Mom kam aus dem Zimmer, und ich hörte, wie sie kurz Luft holten. »Das ist meine Mom«, stellte ich klar, bevor einer von beiden in ein Fettnäpfchen stapfen und eine Bemerkung machen konnte, auf die ich hätte reagieren müssen.
    Dann, um acht Uhr neunundfünfzig, kam sie aus meinem Zimmer, aber auch diesmal wurde ihr Gesicht nicht richtig erfasst. Entweder hatte sie das Klemmbrett vor dem Gesicht oder den Kopf gesenkt oder die Schulter vorgeschoben.
    »Sie weiß, dass der Korridor überwacht wird«, stellte Lawless fest. »Sie verbirgt ihr Gesicht. Natürlich kenne

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