Mordsgefluester
mussten sich mögen und respektieren, sonst wird die Liebe von der Mühsal des Alltags aufgezehrt. Ich liebte Wyatt. Ich vergötterte alles an ihm, selbst jene Eigenschaften, die mich zur Weißglut trieben wie sein aggressiver Siegeswille, der ihn zu einem so guten Footballspieler gemacht hatte und sich in jeder Facette seines Charakters widerspiegelte. Wyatt war so stark, dass ich meine eigenen Alphatendenzen nicht zu zügeln brauchte, denn er konnte es mit allem aufnehmen, was ich ihm an den Kopf warf.
Einer der Punkte, die ich nicht angegangen war, stand mir grell leuchtend vor Augen: Vielleicht wollte Wyatt es nicht mit allem aufnehmen, was ich ihm an den Kopf warf.
Vor zwei Jahren war er nach nur drei Dates abgetaucht, weil er beschlossen hatte, dass ich zu anspruchsvoll für ihn war – mit anderen Worten, dass ich die Mühe nicht lohnte. Als Nicole Goodwin vor zwei Monaten auf dem Parkplatz hinter dem Great Bods ermordet worden war und er kurzfristig geglaubt hatte, ich sei das Opfer, hatte er gezwungenermaßen zugeben müssen, dass das, was zwischen uns gefunkt hatte, etwas Einmaliges war, eine Art Blitz im Einmachglas. Also war er zurückgekehrt und hatte mich überzeugt, dass er mich liebte. Seither hatten wir uns nicht mehr getrennt, aber – und es war ein riesiges »Aber«, mit einem dicken fetten A vorne dran – zwei Jahre lang hatte es ihn überhaupt nicht gestört, nicht mit mir zusammen zu sein. Dieses Wissen hatte mich die ganze Zeit gejuckt wie ein lästiger Ausschlag, und jetzt endlich ging mir auf warum.
Ich hatte mich nicht verändert. Ich war genauso anspruchsvoll wie eh und je.
Er hatte sich auch nicht verändert. Wir hatten in einigen Punkten Kompromisse geschlossen, wir hatten uns in anderen Fragen angeglichen, aber im Grunde waren wir dieselben Menschen wie vor zwei Jahren, als ich ihm zu anstrengend gewesen war. Vielleicht hatte er während der letzten Monate, in denen ich genüsslich mit ihm darum gerungen hatte, wer in unserer Beziehung obenauf war, sein Schicksal einfach nur geduldig ertragen.
Offenbar gab es manches an mir, was er entweder nicht wusste oder nicht mochte. Und diese Einsicht brach mir das Herz.
16
»Die Security-Firma hat angerufen, um einen Termin für die Installation zu vereinbaren«, eröffnete mir Lynn, als ich ins Great Bods kam, und überreichte mir dabei die Liste der Anrufer. »Und ich habe die Zeitungsannonce für eine stellvertretende Geschäftsführerin entworfen, weil ich mir gedacht habe, dass du mit deiner bevorstehenden Hochzeit viel zu beschäftigt für diesen Kleinkram bist. Sie liegt auf deinem Schreibtisch.«
»Danke«, sagte ich. »Gab’s heute irgendwelche Beschwerden?«
»Nein, alles bestens. Was ist mit dir?« Sie sah mich fragend an. »Ist dir heute wieder jemand gefolgt?«
»Wenn, dann habe ich es nicht bemerkt.« Was verflucht ärgerlich war, wenn ich es recht überlegte. Man hätte doch erwarten können, dass die blöde Kuh, die mir zwei Tage in Folge hinterhergefahren war, heute auch auftauchen würde, nachdem ich gestern einen Riesenstreit mit Wyatt gehabt hatte, ob sie mich tatsächlich verfolgte oder nicht. Dann hätte ich Lynn bezeugen lassen können, dass sie da war, und das Kennzeichen notiert und so weiter und so fort. Aber nein, diese Psychopathen können einfach nie kooperativ sein.
Nachdem Lynn gegangen war, widmete ich mich, so schwer es mir fiel, meinem Job. Auf Wyatt wütend zu sein verschaffte mir Erleichterung, weshalb ich mich auf dieses Gefühl statt auf meine Trauer konzentrierte. Ärger ist eindeutig produktiver. Wütende Menschen erledigen eine Menge. Zu Tode betrübte Menschen sitzen nur herum und sind zu Tode betrübt, was wohl okay ist, wenn man gern von anderen bemitleidet werden möchte.
Ich habe es eher mit dem Wütendsein. Den Rest des Tages absolvierte ich im Stechschritt und mähte dabei eine Aufgabe und Pflicht nach der anderen nieder. Aus einem unerfindlichen Grund war an diesem Tag nachmittags und abends wenig Andrang, wodurch ich Gelegenheit hatte, Liegengebliebenes zu erledigen, und mir trotzdem noch freie Zeit blieb.
Zum ersten Mal, seit ich selbst um ein Haar niedergemäht worden wäre, trainierte ich; nichts allzu Forderndes, keine Gymnastik und kein Jogging, weil ich meine Bekanntschaft mit den Kopfschmerzen aus der Hölle nicht erneuern wollte. Ich absolvierte einen intensiven Yoga-Zyklus, bis ich ins Schwitzen geriet, stemmte dann ein paar kleinere Gewichte und ging zuletzt schwimmen. Ich
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