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Mordsgefluester

Mordsgefluester

Titel: Mordsgefluester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Howard
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was wir hatten?«
    »Darum sind wir nicht hier. Komm mit.«
    Gehorsam folgte er mir ins Gebäude. Allmählich kapierte ich, wie er tickte. Nachdem er von Natur aus ein Sturkopf war, hatte er seine Position unverrückbar eingenommen und nicht die Absicht, auch nur einen Schritt zurückzuweichen. Trotzdem wartete er, weil er Sally mehr liebte als sein Leben, verzweifelt darauf, dass ihn jemand zwang, etwas zu unternehmen – sodass er das Gefühl hatte, gar nicht anders zu können – oder Sally zum Einlenken brachte.
    Mir war es egal, wer den ersten Schritt tat. Ich hatte eine Deadline, und ich war verzweifelt.
    Wir betraten den schäbigen Bau, der innen genauso zugestellt war wie draußen. Als wir eintraten, schlug eine Glocke über der Tür an, die dem Besitzer Mr Potts anzeigte, dass jemand gekommen war. Er streckte den Kopf aus dem Hinterzimmer, wo er seine Werkstatt hatte.
    »Ich bin hier hinten! Ach, guten Morgen, Miss Mallory.« Er kam auf uns zu und wischte dabei die Hände an einem Lumpen ab. Da ich vor Kurzem meinen Schreibtisch hier gekauft und dabei länger mit ihm geplaudert hatte, war ihm mein Name noch im Gedächtnis. Er sah mich leicht verunsichert an. »Sie sehen anders aus.«
    »Die Frisur«, erwiderte ich betont und zuckte dabei mit dem Kopf, dass meine Haare zur Seite schwangen. Ein Mann, dem ich nur einmal begegnet war, hatte meine neue Frisur bemerkt – jedenfalls irgendwie – und Wyatt nicht. Wieder wurde mir eng ums Herz. Ich verdrängte ihn aus meinen Gedanken und konzentrierte mich auf das vorliegende Problem, indem ich Jazz und Mr Potts einander vorstellte. »Dürften wir sehen, woran Sie gerade arbeiten?«
    Ich hatte ihm die Situation kurz erklärt, und er ließ sich nicht lumpen. »Aber sicher, kommen Sie mit nach hinten! Ich arbeite gerade an diesem phantastischen alten Schrank, aber der macht mir ganz schön zu schaffen, das dürfen Sie mir glauben. Gut sechzig Stunden hat es mich bis jetzt gekostet, nur den alten Lack und die Grundierung abzuschleifen. Wie jemand auf die Idee kommt, so ein Möbelstück zu lackieren, will mir absolut nicht in den Kopf.« Er plauderte ununterbrochen, während er uns in seine Werkstatt führte.
    Die Werkstatt war ebenso unaufgeräumt, aber sie war dank der Fensterreihen auf beiden Seiten gut ausgeleuchtet. Er hatte alle Fenster geöffnet, um Durchzug zu schaffen, und unter der Decke drehte sich ein riesiger Ventilator. Trotzdem lag ein durchdringender Geruch in der Luft. Der Boden war mit einer riesigen Plane abgedeckt; die Plane selbst war eine Ansammlung von Flecken und Farbspritzern wie auf einem LeRoy-Neiman-Gemälde. In der Mitte der Plane erhob sich das fragliche Stück, ein massiver, zwei Meter hoher Mahagonischrank mit Doppeltüren sowie feinen Schnitzereien an den Türen und am Rahmen.
    Jazz betrachtete blinzelnd den Schrank. »Seit wie vielen Stunden arbeiten Sie noch mal an diesem Ding?«
    »Seit etwa sechzig. Das ›Ding‹ ist ein Kunstwerk.« Mr Potts fuhr liebevoll mit der rauen Hand über das Holz. »Sehen Sie sich diese Schnitzarbeiten an. Natürlich ist er dadurch schwerer zu restaurieren, immerhin muss ich die Grundierung und den Lack aus den Ritzen holen, aber diesen Preis muss man für so ein Stück zahlen. So etwas wird heute nicht mehr gemacht.«
    »Wie lange werden Sie noch dafür brauchen?«
    »Das weiß der Himmel. Vielleicht noch zwei Wochen. Diesen ganzen Mist herauszuholen, ohne das Holz dabei zu beschädigen, ist das Schwierigste.«
    Jazz spazierte um den Schrank herum, stellte weitere Fragen und interessierte sich dann noch für andere Stücke in der Werkstatt, die sich größtenteils in verschiedenen Stadien der Restauration befanden. Was Jazz über Antiquitäten, Restauration und Möbel insgesamt wusste, belief sich auf null und nichts – abgesehen davon, dass Stühle zum Sitzen, Betten zum Schlafen da waren –, darum konnte Mr Potts nach Herzenslust ausholen. Als Jazz erfuhr, dass der Schrank zweihundertneunundsiebzig Jahre alt war, drehte er sich um und sah ihn bewundernd an. »Das Ding war schon da, als George Washington geboren wurde.«
    Ich habe viele Daten im Kopf gespeichert, doch George Washingtons Geburtsjahr gehört nicht dazu. Mr Potts hingegen zuckte nicht einmal mit der Wimper. »Das war es. Kennen Sie die Evers-Familie?«
    Jazz und ich schüttelten einträchtig den Kopf.
    »Dieses Stück wurde von Generation zu Generation weitergegeben. Emily Tylo hat es von ihrer Großmutter geerbt …« Er setzte zu

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