Mordshunger
verliehen ihr einen Ausdruck spöttischen Erstaunens.
»Weil ich keinen habe. Wo ist von Barneck?«
Sie lächelte und löste sich mit sanftem Hüftschwung vom Türrahmen. Wo die Revers ihres Blazers zusammenliefen, ließ ein weicher Schatten den Ansatz ihrer Brüste eben ahnen. Der Rock umschmeichelte sie bei jedem Schritt wie ein lebendiges Wesen. Allein ihre Figur war Grund genug, Schneider zu werden. Ein Traum in anthrazitfarbenem Flanell und schwarzem Nylon, eine nahezu perfekte Erscheinung, bis auf …
Sie streckte ihm einen knallroten Küchenhandschuh entgegen.
»Eva Feldkamp«, sagte sie.
Cüpper konnte nicht anders. Er nahm ihre Rechte und versah das steppdeckenartige Gewebe mit einem galanten Handkuss.
»Romanus Cüpper. Hab ich auf den letzten Modenschauen was verpasst?«
Jetzt lachte sie. Im selben Moment verschwand das Unnahbare aus ihren Zügen. Rechts und links der Augen zeigten sich die entzückendsten Lachfältchen, die Cüpper je gesehen hatte.
»Das ist der letzte Schrei. Wahrscheinlich lesen Sie nicht die richtigen Zeitschriften, Herr Kommissar.«
»Belassen wir’s bei Cüpper.«
»Der Hausdiener ist in der Stadt unterwegs, und seine Frau plagt sich in der Küche mit einer Tarte Tatin. Ich habe gerade die Form aus dem Ofen geholt, als Sie schellten.«
»Sie arbeiten in der Küche? Offen gesagt, man kommt nicht drauf.«
»Ach was. Ich bin Herrn von Barnecks Privatsekretärin. Aber die Idee mit der Tarte war von mir, also hab ich geholfen. Wollen Sie ein Stück?«
»Was für eine Frage!«
»Gut, gehen Sie einfach rauf. Sie finden Herrn von Barneck im ersten Stock. Er hat Besuch.«
»Besuch?«
»Ihretwegen. Gehen Sie schon. Ich stoße später dazu.«
»Augenblick noch, wo wir gerade unter uns sind – wie gut kannten sie Inka von Barneck?«
»Ziemlich gut.«
»Haben Sie eine Ahnung, wer sie umgebracht hat?«
»Eine Ahnung?« Sie zögerte. »Ich wüsste nicht.«
»Aber?«
»Kein aber.«
»Mochten Sie Inka von Barneck?«
»Nein.«
»Wer mochte sie überhaupt?«
»Fritz mochte sie mal. Ansonsten war Inka nicht der Typ, den man mochte. Man verfiel ihr, ließ sich von ihr benutzen und wurde irgendwann entsorgt.«
»Wer war ihr denn verfallen?«
»Das sollten wir nicht gerade hier besprechen. Es würde zu lange dauern, und Sie hätten hinterher zu viele Verdächtige. Wenn Sie Wert auf Überraschungen legen, gehen Sie nach oben.«
Cüpper sah ihr nach, wie sie im angrenzenden Raum verschwand. Ihre Stöckelschuhe schlugen Nägel in sein Trommelfell.
Folgsam stieg er die Treppe hoch. Eine der Flügeltüren entlang der Balustrade wurde geöffnet, und er gewahrte Fritz von Barnecks weißen Schopf. Der Millionär winkte ihn heran, nahm ihn wortlos am Arm und schob ihn in das Zimmer, ein riesiges, kostspielig eingerichtetes Büro mit ausladendem Schreibtisch in der Mitte. Ein Mann mit kurzem braunem Haar stand am Fenster und wandte ihnen den Rücken zu.
»Darf ich Ihnen etwas anbieten?«, fragte von Barneck kühl.
»Danke, nein.«
»Sie werden kaum drum herumkommen. Eva meint, sie müsste Gott und alle Welt mit den Resultaten ihrer Großzügigkeit bedenken.«
»Ich fand sie sehr zuvorkommend.«
Von Barnecks Mund lächelte. Die grauen Augen fixierten ihn dabei so kalt und teilnahmslos wie in der Nacht zuvor.
»Im Übrigen, nehmen Sie doch Platz. Sie müssen meine Unhöflichkeit entschuldigen, ich bin, wie Sie sich vielleicht denken können, noch nicht ganz bei der Sache.«
Cüpper zuckte die Achseln und versank in einem roten Ledersessel.
»Wollen Sie wirklich nichts trinken?«
»Ich fürchte, nein.«
»Da fürchten Sie zu Recht.« Von Barneck umrundete den Schreibtisch und betätigte einen verborgenen Schalter. Hinter ihm glitt ein Teil der Wand zur Seite und gab den Blick frei auf einige Quadratmeter glitzernden Bernsteins.
»Dreihundertfünfundsechzig Sorten Whisky, im wesentlichen Scotch. Eine für jeden Tag im Jahr. Wirklich schade, dass Sie keinen trinken dürfen.«
»Geben Sie mir einen Grund, privat hierherzukommen, und ich mache ein Jahr zum Tag.«
»Das glaube ich.«
Die Wand glitt wieder zu. Cüpper fragte sich, was reiche Leute dazu trieb, irgendwelchen Kram hinter Wänden zu verstecken. Währenddessen nahm der Millionär ihm gegenüber Platz und schaute ihn nachdenklich an.
»Sie müssen sich vergangene Nacht gewundert haben«, sagte er.
»Hätte ich sollen?«
»Ich war kurz angebunden. Tja, der Schock.«
»Ich hatte nicht den Eindruck, dass Sie
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