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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Kommissar!«, hallte eine Stimme durchs Treppenhaus.
    Cüpper schaute nach oben. Hartmann lehnte spöttisch grinsend am Türrahmen. Er trug einen Kimono, der bis zum Boden reichte, und eine randlose Brille. Die Ähnlichkeit mit von Barneck frappierte Cüpper erneut so sehr, dass ihm nichts Passenderes einfiel als ein lahmes »Wieso?«
    »Wieso? Weil ich für die sechs Stockwerke zwanzig Sekunden brauche und Sie zwanzig Minuten.«
    »Lassen Sie die Schmeicheleien«, keuchte Cüpper und bewältigte die letzten Stufen. »Was ist mit dem Fahrstuhl?«
    Hartmann lachte. »Sex!«
    »Im Fahrstuhl?«
    »Warum nicht? Kommen Sie rein. Es gibt hier einen phantasiebegabten Burschen, müssen Sie wissen. Kürzlich stieg er mit einer netten jungen Dame hinein und blieb stecken. Dann blieb der Aufzug stecken. Ende der Vorstellung. So was klappt im Kino, aber nicht in der Spichernstraße.«
    »Wenig amüsant.«
    »Wie man’s nimmt. Die Bergung dauerte zwei Stunden. Als die beiden endlich draußen waren, wirkten sie nicht sonderlich verärgert.« Hartmann verschwand im Raum nebenan und ließ Cüpper mit dem Klang seiner Stimme zurück. »Ich war gerade dabei, mir einen Espresso zu machen, wollen Sie auch einen?«
    »Gern. Viel Zucker bitte.«
    Cüpper wanderte umher. Hartmann war teuer und geschmackvoll eingerichtet, alles pingelig gepflegt. Hinter einer Glasfront erstreckte sich eine riesige Terrasse. Fritz von Barneck schien seinen Doppelgänger gut zu bezahlen.
    »Ich habe Sie erwartet«, sagte Hartmann beiläufig.
    »So?«
    »Ja. Mir war klar, dass Sie mit dem Verlauf des Nachmittags nicht glücklich sind.«
    »Warum hätte ich gerade zu Ihnen kommen sollen?«
    »Weil Sie Fritz nicht mögen. Und weil Sie glauben, dass ich Ihnen mehr erzähle. Wir haben Ihnen die Doppelgängertheorie ja sozusagen auf dem silbernen Tablett serviert. Einer von uns beiden könnte es gewesen sein.«
    »Sie scheinen es drauf anzulegen, dass ich so was glaube.«
    »Keineswegs. Die Dinge sind halt, wie sie sind.«
    »Sehr weise. Seit wann wohnen Sie hier?«
    »Noch nicht so lange. Knapp anderthalb Jahre. Nehmen Sie Milch zum Espresso?«
    »Um Himmels willen! Warten Sie, ich komme in die Küche!«
    Cüpper hatte es nicht anders erwartet: Das Zentrum seiner Leidenschaften präsentierte sich als übergroßes Refugium in Holz und Stahl mit freistehendem Herd und einem wahren Schlund von Dunstabzugshaube. Er entdeckte eine Kollektion von Töpfen, die er sich schon immer gern geleistet hätte, wenn er sie sich hätte leisten können. Links von der Kochstelle unterteilte eine mitternachtblaue Theke den Raum. Hartmann platzierte die Espressotassen unter zwei Halogenleuchten, die wie umgedrehter Mohn aus der Decke wuchsen. Verliebt in Kleinigkeiten, dachte Cüpper. Er ging in die Hocke und schaute in den Backofen.
    »Spezialanfertigung?«
    »Ja.«
    »Mhm. Was haben Sie zuletzt gekocht?«
    »Ist das Teil des Verhörs?«
    »Nein. Pure Neugier.«
    »Stockfisch-Frikadellen. Es macht irrsinnig viel Arbeit. Der Fisch ist so hart, dass Sie einen damit totschlagen können.«
    »Wäre nicht das erste Mal.«
    »Mord durch Stockfisch?« Hartmann lachte. »Wo?«
    »Hier in Köln.«
    »Ach was! Ich dachte, die Kölner hauen sich nur frischen Matjes um die Ohren?«
    »Früher war das anders«, sagte Cüpper. »Da aßen sie in Köln fast jeden Freitag Stockfisch. Sie kauften ihn auf den Märkten, er war billig und überstand im Zweifel ein paar Erzbischöfe. Der letzte Stockfischmord traf einen stadtbekannten Wucherer. Er drohte seinen Opfern mit Pfändung und noch schlimmeren Sachen, bis sie genug von ihm hatten. In Ermangelung von Keulen haben sie ihm den Schädel mit dem Abendessen eingeschlagen.«
    Hartmann schmunzelte, aber sein Blick war nachdenklich geworden. Gemeinsam schlürften sie den Espresso. Cüpper fand ihn ausgezeichnet.
    »Sie kennen sich aus mit alten Rezepten?«, fragte Hartmann.
    »Meine Lebensgefährtin ist … war ziemlich versessen auf Hausmannskost. Gerade diese Stockfischsachen. Weiß nicht, ob ich die je noch mal kochen werde.« Cüpper hielt inne, den Kopf voller Gedanken, die nicht hierhergehörten. »Es macht wirklich zu viel Arbeit«, fügte er hinzu.
    Hartmann nickte. »Haben Sie auch ein Rezept, um Morde aufzuklären?«
    »Die Frage sollten Sie sich selber stellen«, sagte Cüpper. »Sie verstehen was vom Kochen. Glauben Sie, es gibt eins?«
    »Vielleicht.«
    »Nein, aber trotzdem liegen Sie nicht ganz verkehrt. Jedes Verbrechen ist im Grunde ein

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