Mordshunger
eine Wechselstube Dollars. Also gut, Marion mag mich nicht. Das ist vielleicht der einzige Umstand, den ich wirklich bedaure. Sie könnte etwas lernen, weil sie klug ist. Stattdessen zieht sie es vor, sich in Gesellschaft verlauster Großkatzen herumzutreiben. Unverständlich.«
»Warum? Eines Tages wird sie ohnehin alles erben, nehme ich an.«
»Ein gutes Schlusswort.«
Von Barneck ging zur Tür und hielt sie demonstrativ auf.
»Es hat mich gefreut, Herr Kommissar, mit Ihnen zu trinken. Sorgen Sie auch weiterhin dafür, dass mein Name nicht in Misskredit gerät. Ich bin so offen zuzugeben, dass mir daran mehr liegt als am Mörder meiner Frau.«
»Versuchen Sie nicht noch einmal, mir zu drohen«, sagte Cüpper ruhig.
Im Dämmerlicht wirkten von Barnecks Augen wie zwei Seen aus geschmolzenem Metall. »Das war unfein, und es tut mir aufrichtig leid. Jetzt wollen Sie mich bitte entschuldigen. Ich habe einiges zu tun und außerdem eine Karte für die Philharmonie, die ich ungern verfallen lassen möchte.«
»Was wird gegeben?«
»Die Symphonie mit dem Paukenschlag.«
»Ja«, grinste Cüpper freudlos. »Den können wir gebrauchen.«
Unten brachte Schmitz ihn zur Tür. Der alte Mann wirkte verlegen. Etwas steif entschuldigte er sich für von Barnecks knapp bemessene Zeit und seinen eigenen Unwillen, den Charakter seines Arbeitgebers zu diskutieren. Cüpper schätzte, dass Schmitz es trotz der langen Dienstjahre gar nicht gekonnt hätte. Er winkte ab.
»Sie sind mir vielleicht nicht unbedingt die größte Hilfe«, sagte er nonchalant, »aber dafür bestimmt der beste Butler deutschen Geblüts.«
»Danke«, strahlte Schmitz und fügte nach einigem Zögern lächelnd hinzu: »Sir.«
»Wenn Ihnen noch was einfällt, was ich wissen sollte, zögern Sie nicht, mich anzurufen. Hier ist meine Karte. Versuchen Sie es ruhig privat, wenn ich nicht im Revier bin. Die Nummer bekommt nicht jeder, aber bei Ihnen mache ich eine Ausnahme.« Er zwinkerte Schmitz vertraulich zu. Damit stand der Alte in seiner Schuld. Er würde sich melden. Cüpper wusste, dass sein Ehrenkodex auf wackeligen Füßen ruhte. Er war ebenso wenig ein Butler wie die kölschen Mädchen in den Divertissementc h en Frauen waren.
Draußen sah er auf die Uhr. Früher Abend. Es hätte hell sein müssen, aber die Wolkendecke schien nur noch tiefer herabgesunken zu sein. Bald würde Köln komplett darin verschwunden sein.
Cüpper fuhr los und dachte, dass er einen Freund gebrauchen könnte.
Stadtgarten
Es war leer im Bühnenraum, so dass er sie sofort sah. Sie wuchtete ein wahres Gebirge von Box auf die Bühne, während Ulrich Stoerer auf und ab stolzierte und Anweisungen gab.
Eine Kellnerin mit Silber in den Nasenflügeln kam aus dem angrenzenden Restaurant und balancierte ein Tablett mit Kölsch an ihm vorbei. Cüpper nahm zwei herunter.
»Macht acht Mark.«
»Später«, versprach Cüpper.
»Nix später. Ich bekomme acht Mark.«
»Erstens habe ich keine Hand frei, zweitens bin ich von der Kripo.«
»Erstens ist mir das egal, und zweitens bekomme ich jetzt acht Mark von der Kripo.«
Cüpper stellte die Gläser ab, fischte nach Kleingeld und stapfte hinüber zur Bühne. Marion hatte die Box mittlerweile anderen überlassen. Sie hielt sich den Daumen und fluchte lautstark.
»Hallo, Catwoman«, sagte Cüpper.
»Oh, Sie!« Ein Lächeln huschte über ihre kantigen Züge. Cüpper gefiel es.
»Die beiden Kölsch hier stellten sich mir in den Weg, da hab ich sie verhaftet und mitgenommen. Wollen Sie eines?«
»Her damit!«
Die Flüssigkeit verschwand schneller, als man Simsalabim sagen konnte. Cüpper sah dem Vorgang entgeistert zu und gab ihr seines gleich dazu. Sie lachte. Es war das erste Mal, dass er Marion Ried lachen sah. Leider dauerte es nur einen Augenblick, dann stahl sich wieder die kleine, senkrechte Falte zwischen ihre Brauen, »Was ist eigentlich mit Ihrem Tiger passiert?«, fragte Cüpper.
»Reden wir nicht von meinem Tiger.«
»Worüber dann? Sie haben mich angerufen, nicht umgekehrt.«
»Haben Sie den Mörder?«
Er nahm sie beim Arm und zog sie wortlos ein Stück von der Bühne weg.
»Nein. Um ehrlich zu sein, wir stecken fest.«
»Mhm.« Sie schaute auf ihre Hände.
»Wir hatten eine Spur, aber sie erwies sich als Sackgasse. Ihre Mutter wurde wahrscheinlich schon gegen zehn Uhr umgebracht und nicht erst um Mitternacht. Vorausgesetzt, Sie waren wirklich im Kino, könnte ich Sie damit von der Liste meiner Verdächtigen
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