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Mordshunger

Titel: Mordshunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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gegen Zärtlichkeiten. Überhaupt nicht. Er wusste nur nicht, wie man so was machte. Ärgerlich und betreten stemmte er sich hoch.
    »Wo willst’n hin?«, fragte sie.
    »Nirgendwohin.« Sein Blick erwanderte die Rundungen ihres Körpers wie ein Spaziergänger eine Steilküste, der plötzlich feststellt, dass er nicht schwindelfrei ist. Irgendeine Entschuldigung war fällig, oder er würde dastehen wie der größte Trottel aller Zeiten.
    »Muss mal pinkeln«, sagte er schnell. Das schien Akzeptanz zu finden. Sie schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln und rollte sich träge auf die Seite. Ihr Hosenbund saß tief, allzu tief. Toni registrierte Grübchen oberhalb der Pobacken, wie geschaffen, um die Daumen hineinzulegen, wenn sie erst vor ihm knien würde, das Hinterteil ihm zugewandt. Ein Gedanke, der Pinkeln ins physikalische Abseits verdammte. Egal! Er musste wenigstens so tun. Schwitzend vor Furcht und Begierde, verschwand er hinter einem Baum und suchte den Nippel seines Reißverschlusses. Klemmte. Toni fluchte unterdrückt und begann daran zu zerren. Klemmte immer noch. Ratlos starrte er zu Boden.
    Jemand starrte zurück.
    Kurz war ihm, als verwandle sich sein Blut in etwas Marmeladenartiges. Er entließ ein Geräusch zwischen Ächzen und Zwitschern, verdrehte die Augen, schaffte es eben noch, seinen Hosenstall zu öffnen, und fiel paralysiert in die Brennnesseln.
    »Toni?«
    Schwach versuchte er, sich zu bewegen, ohne Erfolg. Seine Nasenspitze war nur wenige Millimeter vom Ohr des Unbekannten entfernt. Ein metallischer Geruch stach in seine Nase, süß und übelkeiterregend, bis er glaubte, daran ersticken zu müssen. Mit schrecklicher Deutlichkeit gewahrte er die Rundungen der Ohrmuschel, schraubte seinen Blick entlang des knorpeligen Reliefs über den Teppich feiner Härchen bis an den Rand der Höhle, die ins Innere des Schädels führte.
    »Toni?« Ihre Stimme schmeichelte sich keck heran. Er hörte ihre Schritte im Gras, registrierte jeden Halm, der von ihren nackten Füßen niedergetreten wurde auf ihrem zögerlichen Weg zu ihm.
    »Ich will jetzt, Toni.«
    Etwas Schwarzes bewegte sich in dem Ohr. Winzige, zitternde Beinchen. Langsam krabbelte ein fingerdicker Käfer hervor, ließ einen Augenblick die Fühler spielen und verschwand hinter einem Büschel Haare.
    »Toni.«
    Er versuchte etwas zu sagen, aber es wurde nur ein gequetschtes Gurgeln daraus.
    »Toni, Süßer, pack ihn aus. Ich komme!«
     
    Vor sieben Jahren hatte Cüpper einen Pistolenknauf gegen den Schädel bekommen. Als er Wochen später die Uniklinik verließ, war er stolzer Besitzer einer kleinen Plastikplatte, die den Knochen gleich über dem linken Ohr ersetzte. Seitdem war reichlich Haar über die Sache gewachsen und nichts zurückgeblieben außer einer allerdings umso verblüffenderen Eigenschaft. Cüpper konnte trinken, so viel er wollte – es stellte sich kein Kater ein, nicht mal der Hauch eines Katzenjammers. Man wies ihn scherzhaft darauf hin, er habe sich in einen Japaner verwandelt, deren allnächtliche Dienstbesäufnisse nur deshalb keinen schädlichen Einfluss auf Nippons Bruttosozialprodukt nehmen, weil ihnen ein ganz bestimmtes Enzym fehlt. Cüpper, der nicht die mindeste Ahnung hatte, wie ein Enzym im Verlauf einer Schädeloperation einfach entwischen konnte, dachte natürlich nicht im Traum daran, es zurückzufordern. Genau genommen war er glücklicher denn je, weil er infolge seiner Unempfindlichkeit nun auch weniger Schlaf brauchte. Während also die Caipirinhas aus dem Rosebud jedem anderen einen bösen Tribut abgefordert hätten, saß Cüpper ausgeruht beim Frühstück, als das Telefon schellte. Schnell stippte er den letzten Streifen Toast ins weich gekochte Ei und hastete an den Apparat.
    Es war Rabenhorst.
    »Was machen Sie gerade?«, fragte er unschuldig.
    »Vive la liberté«, erwiderte Cüpper kauend. »Ich esse Eier auf ungewöhnliche Weise.«
    »Sitzen Sie?«
    »Im Augenblick nicht. Rabenhorst, stellen Sie sich vor, wir haben einen Linkshänder! Gestern rief mich …«
    »Dann setzen Sie sich mal.«
    Cüpper zog die Stirn in Falten und sah sich um. »Meinen Sie, ich verkrafte es stehend? Ich leide seit kurzem unter einem gewissen Defizit an Mobiliar.«
    »Von Barneck ist tot.«
    »Was???«
    »Ein vollgekifftes Liebespärchen hat ihn vor einer Dreiviertelstunde gefunden. Er liegt im Grüngürtel, nicht sonderlich gut versteckt. Nähe Aachener.«
    »Mein Gott! Wie hat es ihn erwischt?«
    »Mecki Messer war wieder

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