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Mordskerle (German Edition)

Mordskerle (German Edition)

Titel: Mordskerle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Schley
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gekannt hatte. Und soviel stand für Sylvia fest: So jung wie die schluchzende Blondine, deren schwarzes Seidenkleid tief genug ausgeschnitten war, um alle anderen Trauergäste ein sehr reizvolles Dekolleté sehen zu lassen, gehörte nicht zu Sofie Beers weiblicher Verwandtschaft.
    Ach, musste sie das ausgerechnet jetzt denken? In diesen schweren Minuten?
    Sylvia schämte sich für ihre skurrilen Gedankengänge, doch eigentlich war Bernhard schuld daran. Der tote Bernhard, erinnerte sie sich ein weiteres Mal. Merkwürdig, was für zwiespältige diese Worte in ihr weckten. Erwachte da etwa sogar so etwas wie Mitleid, um sich in ihr Bahn zu brechen?
    Die Zeit, eine Antwort auf diese Frage zu finden, nahm Sylvia sich nicht mehr. Stattdessen beobachtete sie in angespannter Aufmerksamkeit die große Schar der Trauergemeinde, die am Grab vorüber defilierte.
    Da drüben stand Bernhards Witwe Sofie. Klein und schmal, in einem schwarzen Kostüm, in dem sie mädchenhafter denn je wirkte. Allerdings befremdete Sylvia der breitkrempige Hut mit dem schwarzen Schleier, den Sofie zum Kostüm trug. Was dachte die Freundin sich bloß bei diesem schwarz wallenden Ungetüm? fragte Sylvia sich schockiert. Wer immer Sofie dazu geraten hatte – einen Gefallen hatte man ihr damit nicht getan. Der Schleier passte nicht zu ihr, erfüllte aber immerhin seinen Zweck, indem er alle
    neugierigen Blicke, die sich auf Sofie Beer richteten, daran abprallen ließ.
    Im nächsten Moment hätte Sylvia fast aufgeschrieen, denn die junge Blondine, deren Anwesenheit bei diesem Begräbnis den meisten rätselhaft geblieben war, rannte jetzt an der trauernden Witwe vorbei, ohne ihr zu kondolieren!
    Ach, die arme Sofie! wallte in Sylvia tiefes, aufrichtiges Mitgefühl auf. Plötzlich glaubte sie, ganz klar zu sehen: So war es! Das war die Letzte von Bernhards zahlreichen Freundinnen, seinen Gespielinnen, Affären, die er während der Ehe mit Sofie nebenbei lebhaft gepflegt hatte.
    Der Name der jungen Blondine war höchstwahrscheinlich der Letzte auf einer langen Liste von Frauennamen…
    Sylvia zwang sich zur Sachlichkeit. Eigentlich hätte man schon blind und taub sein müssen, um das nicht zu bemerken, überlegte sie. Es war unwahrscheinlich, dass Sofie nie etwas geahnt, keinen Verdacht gehabt hatte. Allerdings hätte sie, wenn es so gewesen wäre, niemals auch nur ein Wort darüber verlauten lassen.
    Sofie Beer war eben eine Frau mit Stil, Haltung und Taktgefühl. Ihr Mann Bernhard dagegen hatte die Bestätigung durch andere Frauen immer gebraucht. Es war ein offenes Geheimnis gewesen, dass er regelmäßig außereheliche Beziehungen pflegte. Alle, die ihn und Sofie kannten, wussten Bescheid. Aber alle vertraten unisono die Ansicht, Sofie schonen, sie schützen zu müssen vor der Wahrheit. Keiner brachte es übers Herz, sie mit der Realität zu konfrontieren.
    Sofie war früher ein kleines, ängstliches Mädchen gewesen, erinnerte Sylvia sich in seltener Sentimentalität. Später war aus dem ängstlichen Kind eine ängstliche Erwachsene geworden. Mit dem Ergebnis, dass Sylvia – wann immer sie in Versuchung geriet, mit der Freundin über Bernhards lebhaftes Liebesleben zu sprechen - sofort wieder zurück schreckte – und alle anderen Freunde ebenso, als hätten sie sich verabredet, sämtliche Unbilden des Lebens von Sofie fern zu halten.
    Sylvia empfand es jedoch mehr und mehr als eine persönliche Kränkung, dass Bernhards Freundinnen im Laufe der Jahre immer jünger wurden und damit im krassen Gegensatz zu Sofie und damit zu allen anderen um Sofie standen.
    Sylvia litt bis zuletzt stellvertretend für die Freundin, das verzieh sie Bernhard nicht und daran würde auch sein plötzlicher Tod nichts ändern.
    Tragisch, dass er ausgerechnet starb, als sich die Situation für Sofie und ihn so viel versprechend zu ändern versprach. Sylvia war dabei gewesen, als Bernhard plötzlich am Kaffeetisch verkündete, er wollte mit seiner Frau zu einer Weltreise aufbrechen. Er nannte es sogar die zweiten Flitterwochen, sprach von einem neuen Anfang, während Sofie große Klugheit bewies, als sie sich diesen Plänen nicht widersetzte.
    Sylvia hatte die beiden keine vier Wochen später zum Flugplatz begleitet und ihnen hinterher gewinkt, als sie die Gangway des Flugzeugs hinauf eilten. Das ist der neue Anfang! war sogar sie überzeugt gewesen, nicht ahnend, wie sehr sie sich damit irrte.
    Jetzt war Bernhards Weltreise schon vorbei. Seine andere, die letzte Reise riss

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