Mordskerle (German Edition)
jenem kaum merklichen Sarkasmus in der Stimme, der ihm eine leichte Röte ins Gesicht steigen ließ.
„Wohin?“ Er hob hilflos eine Hand. „Nach Hause, denke ich.“
„So, so. Denken Sie. In Ihr Haus können Sie nicht, weil die Polizei es versiegelt hat. Herr Breidbach, jemand hat versucht, Sie umzubringen. Das hakt man nicht so einfach ab wie eine geplatzte Einladung zum Essen.“
„Da haben Sie Recht. Zurück kann ich nicht. Vorerst jedenfalls nicht. Also werde ich…“
„Ja?“, fragte Lena gespannt, doch Breidbach bekam nicht mehr die Gelegenheit, zu antworten, weil es klopfte und gleich darauf die Tür zum Krankenzimmer geöffnet wurde.
Eine bildschöne, dunkelhaarige Frau kam herein. „Ich störe doch nicht?“, wollte sie nur der Ordnung halber wissen, denn soviel stand für Lena fest: Diese Frau würde sich nie weg schicken lassen wie ein lästiger Eindringling, nicht einmal vom Chefarzt persönlich.
Sie war ungefähr in Breidbachs Alter, schritt ohne die geringste Scheu auf ihn zu, umarmte ihn und wollte wissen, was passiert war, wie es ihm ging und was denn die Polizei zu alldem sagte.
Lena stand einigermaßen ratlos herum und wartete, dass Breidbach sie mit der anderen bekannt machte, doch das geschah nicht. So murmelte sie schließlich eine Entschuldigung, um so geräuschlos wie möglich den Raum zu verlassen.
Sie hätte nun direkt zu ihrem Auto gehen können, tat es aber nicht. Stattdessen wanderte sie ziellos über den Korridor, holte sich Kaffee aus dem Automaten in der Halle und wartete. Worauf? Sie wusste es nicht.
Sie erfuhr es eine knappe Dreiviertelstunde später, als die Dunkelhaarige das Krankenzimmer verließ, um ganz unerwartet plötzlich neben Lena aufzutauchen. Einen Moment lang standen die beiden Frauen schweigend an einem offenen Fenster, ohne zu wissen, worüber sie reden sollten.
Bis die Andere schließlich zu Lena sagte: „Können Sie ihn nicht von hier irgendwohin mitnehmen? Er darf nicht hier bleiben. Sie werden wiederkommen und ihn umbringen.“
„Wer?“ Lena fröstelte unwillkürlich bei diesen Worten.
„Wissen Sie das nicht? Hat Max es Ihnen nicht gesagt?“
Lena schüttelte den Kopf.
„Freunde“, sagte die Andere. „Freunde von früher.“
„Schickt seine Frau diese Freunde?“
Da lachte die Dunkelhaarige kurz auf. „I c h bin seine Frau. Sehe ich aus, als wollte ich Max umbringen lassen?“
Lena war flammendrot geworden. „Ich verstehe nicht…“ konnte sie nur stammeln.
Breidbachs Gattin lächelte. „Das macht nichts. Max und ich leben nicht zusammen. Wir brauchen beide sehr viel Raum. Er schreibt seine Bücher und Artikel, seitdem er nicht mehr als Anwalt arbeitet. Ich male und töpfere. Zwei Menschen mit so gänzlich unterschiedlichen Aktivitäten unter einem Dach – das geht nicht gut. Wir haben es ausprobiert, es klappt nicht. Deshalb lassen wir uns gegenseitig die Freiheit und den Raum, den jeder von uns braucht. Das mag auf andere befremdlich wirken, uns geht es damit gut.“
Lena schluckte etwas. „Sie waren vorhin sehr gefasst, als Sie ihn sahen…“
„Natürlich war die Polizei schon bei mir und hat es mir gesagt. Ich war deshalb auf das Schlimmste vorbereitet. Außerdem neige ich nicht dazu, die Nerven zu verlieren. Im Moment genügt es mir, zu wissen, dass er nicht mehr in Lebensgefahr schwebt.“
Die neue Woche begann damit, dass der Bürgermeister der kleinen Stadt an der Ostsee erneut den Diebstahl seines Fahrrades meldete, doch dieses Mal kam nicht Tim Valendiek oder sonst einer der üblichen Verdächtigen als Täter in Frage. Nein, das Rad befand sich auf einem der hässlichen verrosteten Frachtschiffe, die im Hafen lagen und irgendwelchen osteuropäischen Reedereien gehörten. Diese Schiffe kauften alles, was man ihnen an alten Autos, Fernsehgeräten, Kühlschränken und natürlich auch Fahrrädern anbot, um es in die baltischen Länder zu transportieren.
Das Fahrrad konnte in diesem Fall rasch sichergestellt werden, doch wie in den meisten Fällen waren die Diebe nicht so ohne weiteres dingfest zu machen. Die regionale Presse frohlockte ein weiteres Mal.
An diesem Abend meldete Lena sich aus Schleswig bei Annelie in Uhlenhorst.
„Lena!“, rief Annelie einigermaßen besorgt. „Wieso höre ich nichts von dir? Geht es dir gut?“
„Es geht mir prächtig“, behauptete ihre Tochter, allerdings in einem Tonfall, der ganz klar das Gegenteil vermuten ließ.
„Was ist mit Breidbach?“
„Dem geht´s nicht so
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