Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mordskerle (German Edition)

Mordskerle (German Edition)

Titel: Mordskerle (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Renate Schley
Vom Netzwerk:
nicht ihre größte Leidenschaft war. Heute allerdings lenkten sie gleichzeitig viele beunruhigende Geräusche ab, sodass sie sich noch weniger als sonst auf ihre Lektüre konzentrieren konnte. Alles, was zu ihr durchdrang, war der klagende, zeitweise heulende Sturm, während der feine Sand indes durch Fenster- und Türritzen drängte, sodass er irgendwann auf den Fensterbänken und sonst so blanken Dielen in der Halle lag. Annelie konnte es jedes Mal leise unter ihren Füßen knirschen hören, wann immer sie in einen anderen Raum ging.
    Kurz vor Mitternacht wollte sie eigentlich schon ganz woanders sein, aber da fielen ihr vor Müdigkeit plötzlich die Augen zu. Das aufgeschlagene Buch rutschte sacht von ihrem Schoß auf den Teppich.
    Annelie erwachte erst wieder, als draußen eine leere Gießkanne vom Sturm über die Terrasse und dann durch den ganzen Garten gejagt wurde.
    Mit einem energischen Ruck erhob Annelie sich und eilte in die Halle, schlüpfte in ihren Regenmantel zu schlüpfen, wickelte sich ein Tuch um den Kopf und zog schließlich noch feste Schuhe an. So gerüstet verließ sie dann über die Terrasse das Haus.
    Sie erreichte ihr Ziel problemlos, obwohl das Ferienhaus der Familie Beer zwar etwas weiter entfernt lag und der Sturm noch zugenommen hatte. Doch Annelie war früher dort so häufig zu Gast gewesen, dass sie Bernhard Beers selbst bei diesem Wetter und trotz der schlecht beleuchteten Wege fand.
    Während sie energisch ausschritt, erinnerte sie sich etwas melancholisch an jene Zeiten, da sie und Gottlieb beinahe regelmäßig Sofie und Bernhard Beer in deren Haus besucht hatten. Damals waren die Mädchen, Lena und Inken, noch nicht einmal im Schulalter gewesen. Eigentlich hatten Annelie und Sofie immer gehofft, die Kinder würden allerbeste Freundinnen, doch es wurde bald offensichtlich, dass die beiden sich nicht leiden konnten. Lena machte grundsätzlich ein angewidertes Gesicht, sobald Inken nur irgendwo auftauchte. Aber Lena hatte ja nie eine Mördergrube aus ihrem Herzen gemacht, fügte Annelie, nun leicht amüsiert, in Gedanken hinzu.
    Inken dagegen hatte sich immerhin um Höflichkeit und Haltung bemüht, sogar, wenn Lena ihr gegen das Schienbein trat oder ihr Büschelweise Haare ausriss. Annelie und Sofie akzeptierten schließlich resigniert, dass aus ihren Töchtern keine Freundinnen fürs Leben wurden.
    Da war das Haus.
    Eines musste man den Beers lassen, konstatierte Annelie neidlos: Dieses Gebäude übertraf alles, was man in dem kleinen Ostseebadeort und auch anderswo an der Ostsee zu sehen bekam. Es war ein Palast, neben dem selbst Annelies Feriendomizil sich bescheiden ausnahm.
    Annelie war plötzlich stehen geblieben. Was wollte sie hier?
    Sie blickte hinauf zum Haus, das auf einer Anhöhe lag und dessen gesamte Fensterfront der Ostsee zugewandt war. Bernhard Beer war damals von einem merkwürdigen Ehrgeiz getrieben gewesen, als er das Haus bauen ließ, aber selbstverständlich hatte es größer, pompöser sein müssen als alle anderen. Nachdem allerdings der erste Enthusiasmus darüber verweht war, hatte Bernhard sich kaum noch hier aufgehalten.
    Wie hatte Sylvia Herzig gesagt? Bernie war eher ein Westerland-Fan gewesen…
    Annelie schlug fröstelnd den Kragen ihres Regenmantels hoch. Der Sturm hatte nicht nur an Stärke zugenommen, sondern war obendrein kalt und brachte in mächtigen Schüben weiteren Sand mit. Es wäre bestimmt klüger gewesen, umzukehren und nach Hause zu gehen, sagte sich Annelie ganz vernünftig, doch da sie nach Gottliebs Tod beschlossen hatte, dass mit der Vernunft endgültig Schluss sein musste, öffnete sie die eiserne Gartenpforte – für die die Bezeichnung „Tor“ weitaus besser gepasst hätte - zum Ferienhaus der Familie Beer.
    Entschlossen schritt sie daraufhin den mit Fliesen ausgelegten Weg zum Hauseingang hinauf, während sie sich gleichzeitig erleichtert erinnerte, dass sie jetzt nicht irgendeine Fensterscheibe einschlagen musste, um in das Haus zu gelangen. Sofie hatte seit jeher die naive Angewohnheit gehabt, einen zweiten Schlüssel für die Eingangstür in einem Blumenkübel gleich um die Hausecke zu verstecken. Ein Versteck, über das sich immer alle amüsiert hatten, weil es so banal war.
    Deshalb glaubte Annelie, Sophie gut genug zu kennen, um sicher sein zu können, dass der Schlüssel auch heute noch dort lag. Zunächst jedoch blieb sie stehen, um in alle Richtungen zu lauschen. Dann senkte sie den Kopf ganz tief, machte sich klein,

Weitere Kostenlose Bücher