Mordskerle (German Edition)
Breidbach es vorzog, den illustren Kreis um Bernhard Beer und seine Familie zu verlassen und in der Versenkung zu verschwinden?
Es sprach für ihn, dass er ohne Hilfe seines Gönners eine steile Karriere gemacht hatte und ein angesehener, sogar prominenter Anwalt wurde. Viele Jahre später, als er fand, dass es genug war, ließ er alles hinter sich zurück, um sich an die deutsch-dänische Grenze zurück zu ziehen, wo er völlig unerwartet trotz seines Alters eine Frau heiratete, deren Name vorher nie irgendwo erwähnt worden war.
Trotz aller Fakten, die Lena sich immer wieder der Reihe nach aufzählte, blieben eine Menge Fragen offen. Und die Antworten konnte nur Eine geben: Inken.
Lena hielt ihren Porsche am Kantstein, wählte die Telefonnummer der Auskunft, um sich mit der Beer AG verbinden zu lassen.
„Frau Beer-Lentz?“, wiederholte die Dame am Empfang. „Tut mir leid, aber die Chefin ist noch in einem Meeting. Nein, ich glaube nicht, dass sie vor 18.00 Uhr zu sprechen ist. Ja, ich richte es aus. Sie meldet sich dann, sobald sie frei ist. Danke für Ihren Anruf.“
Selbstverständlich hatte Lena nicht erwartet, Inken sofort sprechen zu können. Immerhin war sie inzwischen die Chefin der Beer AG, die nicht tatenlos an ihrem Schreibtisch saß und Patiencen legte. Inken Beer hatte Wichtigeres zu tun.
„Zum Beispiel – was?“, dachte Lena, an diesem Punkt angekommen. „Zum Beispiel, Max Breidbach eins über den Schädel zu geben“, beantwortete sie sich selbst ihre Frage. „Zum Beispiel, dieses Kapitel ihrer Vergangenheit damit gründlich und endgültig abzuschließen.“
Wenn jemand ein Motiv hatte, das Erscheinen von Breidbachs Buch zu verhindern, dann Inken Beer.
19. Kapitel
A bends um Sieben spuckte das Faxgerät in Lenas Loft eine Nachricht aus, die ihren Pulsschlag augenblicklich beschleunigte.
„Anruf erhalten!“, hatte Inken auf ein formloses Blatt Papier getippt. „Bin heute gegen 20.00 Uhr in Travemünde zum Essen verabredet. Kann gegen 22.30 Uhr im Ferienhaus sein. Wenn Du magst, sehen wir uns dort. Inken.“
Mit einem Mal war Lena ganz gelassen. Entschlossen, endlich alles aufzuklären, überkam sie eine geradezu unnatürliche Ruhe. Ihre innere Anspannung fiel von ihr ab. Die Lösung, sagte sie sich immer wieder, lag greifbar nahe.
Die Ostsee präsentierte sich an diesem Abend leicht diesig und verschnupft wie eine ältere Holsteiner Dame nach dem ersten Bad in den Wellen. Der Strom der Touristen versickerte regelmäßig, je weiter die Dämmerung sich durchsetzte. Der Strand wurde nun, da die Sonne untergegangen war, nur noch von jenen besucht, die hier lebten und der Meinung waren, dass die Einheimischen irgendwann auch ein Recht auf „ihre“ Ostsee hatten.
Lena erreichte den kleinen Ferienort gegen 21.00 Uhr. Auf dem Weg hierher hatte sie einmal an einem Bratwurststand am Straßenrand etwas gegessen, um sich danach ohne Eile auf den Weg zu Annelies Ferienhaus gemacht.
Hier angekommen, öffnete sie zunächst alle Fenster. Anschließend duschte sie ausgiebig und zog sich um. Warum, wusste sie nicht. Vielleicht war es ihr wichtig, Inken nicht nur in tadelloser Haltung, sondern auch in eben solcher Kleidung gegenüber zu treten, denn ausgerechnet heute Abend erinnerte sie sich daran, was für einen großen Wert Inken stets auf Haltung und ein gepflegtes Äußeres gelegt hatte.
Natürlich machte Lena sich viel zu früh auf den Weg zum Ferienhaus der Familie Beer. Nicht darauf gefasst, dort schon jemand anzutreffen, erlebte sie eine Überraschung. Während sie auf das Haus zustrebte, konnte sie schon von der Strandpromenade aus erkennen, dass hinter einem der Fenster Licht brannte. Prompt beschleunigte sich ihr Herzschlag, doch gleichzeitig erwachte auch ein leichtes Unbehagen in ihr, das sie allerdings sofort energisch beiseite wischte.
Es gab keinen Grund, sich unbehaglich zu fühlen. Wenn sich jemand unbehaglich fühlte, dann hoffentlich Inken angesichts dessen, womit Lena sie konfrontieren würde.
Die Eingangstür des Hauses trug noch immer das Siegel der Polizei. Dennoch war es Inken gelungen, hinein zu kommen, denn wie sonst war es möglich, dass Licht in der Halle brannte?
Lena ging um das Haus herum, blieb dann jedoch schon auf der dunklen Terrasse stehen. Ihr Mund war plötzlich trocken vor Aufregung, das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Ein weiteres Mal ballte sie die Hände in den Jackentaschen zu Fäusten, gab sich selbst einen Ruck und – erlebte im nächsten
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