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Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Mordskind: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Mordskind: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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Ahnung«, erklärte Doris mit erstickter Stimme. »Alles ging so schnell. Eines Abends, du warst gerade mit Lilli und Simon in Italien, da kam er heim und teilte mir mit, daß er es hier nicht mehr aushielte, weil Max …« Sie brach ab und schluchzte in ein riesiges Taschentuch, das sie wohl vorsorglich mitgebracht hatte. »Ich konnte es den Leuten einfach nicht erzählen, ich hatte Angst vor ihrem Klatsch, dem ganzen scheußlichen Gerede.« Sie richtete sich auf und sah Paula bekümmert an. »Meinst du, es sieht komisch aus, daß Jürgen jetzt schon wieder weg ist?«
    »Verdammt noch mal!« rief Paula, »ist doch egal, wie das aussieht! Wichtig ist doch, wie du dich fühlst! Deine Ehe geht diese Bande doch einen Dreck an.«
    »Ja, schon. Du hast ja recht«, lenkte Doris rasch ein.
    Paula seufzte. »Irgendwann werden sie ganz sicher durch einen dummen Zufall draufkommen, und dann werden sie sich erst recht die Mäuler zerreißen. Ihr momentanes geheucheltes Mitleid hält sie garantiert nicht vom Tratschen ab.«
    »Ich kann verstehen, daß du wütend auf die Leute hier bist«, sagte Doris. »Ich habe gehört, was im Kindergarten passiert ist.«
    »Auch von der toten Ratte?«
    Doris nickte. »Sie hatten einfach Angst. Erst Benjamin, dann Max …«
    »Seltsame Art, Gefühle zu zeigen.«
    »Du darfst sie nicht verurteilen«, besänftigte Doris, »es sind ganz normale Menschen. Wir müssen so oder so mit ihnen leben.«
    »Ja, leider.«
    Doris nippte an ihrem Weinglas. »Willst du wirklich keinen? Ich komme mir komisch vor, so alleine zu trinken.«
    Paula verneinte. »Ich habe an meinem Geburtstag etwas zuviel erwischt.« Hätte sie den Geburtstag lieber nicht erwähnen sollen? Immerhin war das der Abend »davor« gewesen.
    Aber Doris’ Miene verriet nichts, als sie sagte: »Ja, du warst plötzlich ein bißchen abwesend. Aber ansonsten ein ganz artiges Mädchen, keine Sorge. Siggi und ich haben dich aufs Bett gepackt, und …«
    »Aufs Bett? Nicht aufs Sofa?«
    Doris dachte einen Moment nach. »Nein, aufs Bett. Mit Klamotten. Du bist die Treppe noch fast alleine raufgelaufen. Dann bin ich gegangen, zusammen mit Siggi. Den mußte ich allerdings gewaltsam mitschleppen, der wollte unbedingt bei dir sitzen bleiben und Händchen halten. Wir waren jedenfalls die letzten. Wieso fragst du? Bist du denn nicht im Bett aufgewacht?« fragte Doris, und im selben Atemzug: »Was macht eigentlich deine Schlafwandelei?«
    Paula schrak heftig zusammen, wirre Bilder zuckten für einen Sekundenbruchteil durch ihr Hirn. »Nichts«, sagte sie dann schnell. »Gar nichts. Wieso?«
    »Ach, nur so. Jürgen und ich sprachen neulich davon.«
    »Jürgen und du?«
    »Ja. Klaus hat doch damals regelmäßig bei Jürgen sein Herz ausgeschüttet.«
    Paula seufzte. Sicher hatte Klaus auch die Schuhlöffel-Story zum Besten gegeben. Es entstand eine kleine, unangenehme Pause. Etwas wollte Paula unbedingt noch loswerden: »Doris«, sagte sie, »sag ehrlich, glaubst du auch, daß ich mit schuld bin, ich meine … wegen Max, weil ich diesen Mann bei mir arbeiten ließ?«
    »Ach, Unsinn«, wehrte Doris ab, aber es klang nicht sehr überzeugend. »Er soll ja demnächst entlassen werden. Aus Mangel an Beweisen.«
    »Wie … wie denkst du darüber?« fragte Paula zaghaft.
    Doris schloß einen Moment die Augen und sagte dann: »Wer immer das getan hat, ich denke, er hat nicht gewußt, was er da tat.«
    Paula fröstelte, obwohl im Kamin ein Feuer vor sich hin knisterte.
    Am Montagmorgen in der Redaktion las Paula mit wachsender Empörung das jüngste Werk ihres Kollegen Schulze, in welchem er den »Müttern Maria Bronns« die Entlassung Kolja Bosenkows kundtat. Es klang, als hätte jemand ein wildes Raubtier im Stadtpark ausgesetzt, der Artikel wimmelte von Ausdrucksweisen wie »unschuldige Kinder« und »auf die Menschheit losgelassen«, ja, er genierte sich nicht einmal, erneut die »Bestie von Maria Bronn« zu bemühen. Um nicht zu explodieren, trat Paula ans Fenster ihres Büros, reckte die Arme in die Luft und ließ ihre verschränkten Finger knacken.
    »Frühsport?« fragte Vera.
    Paula ließ die Arme sinken. Veras rotgefärbtes Haar wuchs am Ansatz dunkelblond nach, was ihr den heimlichen Spitznamen »Streifenhörnchen« eingebracht hatte, es war der einzige halbwegs originelle Einfall vom Schulze seit Wochen.
    »So ähnlich. Was gibt’s?«
    »Leider nichts Gutes. Der Herr Weigand hat eben angerufen.«
    »Ist er noch nicht im Haus?«
    »Darum geht es ja.

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