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Mordsmöwen

Mordsmöwen

Titel: Mordsmöwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sine Beerwald
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lächerliche zweiundfünfzig Meter anzeigt, lässt sich von dieser sogenannten Uwe-Düne aus die gesamte Insel überblicken, und wir haben beste Sicht auf Kampen. Nur leider können wir Suzette unter den wenigen Möwen auf den Reetdächern nicht erspähen. Mir wird mulmig. Wäre Suzette nach Hause geflogen, hätten wir ihr auf der Nord-Süd-Route begegnen müssen. Sie wird doch keinem Fuchs oder Blechvogel zum Opfer gefallen sein?
    Ich lasse meinen Blick nach Norden schweifen, und auf einmal glaube ich, sie zu entdecken. Ich muss die Augen zusammenkneifen und schaue angestrengt über die Dächer der Hotels hinweg, die wie aufgefädelt unter uns am Rande eines Dünentals stehen und ebenfalls beste Aussicht bieten.
    Im Dünental liegt das runde Gebäude der Sturmhaube, und auf deren mützenartigem Dach sehe ich eine Möwe, die Suzette sehr ähnlich sieht. Allerdings ist sie nicht allein. Ich drehe mich zu Balthasar um und will ihn nach seiner Meinung fragen, aber der ist beschäftigt.
    Mit ausgebreiteten Schwingen steht er vor den Touristen, wirft den Kopf in den Nacken, reißt den Schnabel weit auf und ruft: »Der Name der Uwe-Düne geht auf den Gelehrten und Juristen Uwe Jens Lornsen zurück, der als Freiheitskämpfer mit seinen Schriften für ein geeintes und von Dänemark unabhängiges Schleswig-Holstein …«
    »Balthasar! Kein Mensch versteht dich!«
    »Aber sicher verstehen die mich! Kuck doch, wie sie mich alle anschauen und meinem Vortrag lauschen. Nur du Kulturbanause unterbrichst mich mal wieder. Schon mein Großvater Avenarius hat sich mit anderen Künstler-Möwen aus ganz Deutschland dort drüben auf dem Dach des Hauses Kliffende getroffen und aus geklauten Büchern rezessiert.«
    Ich wage nicht einzuwenden, dass es wohl rezitiert heißen müsste, schließlich geht es mir jetzt um etwas völlig anderes. »Balthasar …«, setze ich an.
    »Warte nur ab, Ahoi. Eines Tages wird mir der Einbruch in die Westerländer Bibliothek gelingen, und ich werde Zugang zu allem Wissen haben, das dieses Paradies meiner Träume für mich bereithält.«
    »Balthasar, ich glaube, ich habe Suzette gesehen. Komm mit, bitte.«
    Enttäuscht klappt Balthasar die Flügel ein und entschuldigt sich bei seinen Zuhörern. Seine Person sei sehr gefragt, und er müsse sich nun bedauerlicherweise vorzeitig verabschieden.
    Wir erheben uns in die Luft. Balthasar schaut in die von mir angegebene Richtung und setzt seine Brille auf.
    »Ja, das ist Suzette«, ruft er mir zu. »Ach du heilige Möwenscheiße, weißt du, wen sie da bei sich hat?«
    »Nein«, gebe ich gereizt zurück. Sie ist unverkennbar in männlicher Begleitung, das reicht mir schon an Information. Eine Möwe wie aus dem Bilderbuch steht neben ihr. Der Typ hat hellblau-silbern schimmernde Flügel, wo meine Federn eher angestaubt wirken. Wahrscheinlich lässt er sich jeden zweiten Tag ein Sandpeeling und eine Algenpackung machen. Seine Flügelkanten sind reinweiß und die Spitzen seiner Handschwingen so unnatürlich dunkel, dass er sie sich hundertprozentig regelmäßig schwarz färben lässt. Wenn Sie mich fragen, benutzt der Typ eines dieser selten zu erbeutenden Lacksprays für Blechvögel.
    »Das ist Mogulis«, flüstert Balthasar ehrfürchtig. »Eine der reichsten Möwen von ganz Sylt. Er herrscht nicht nur allein über die Sturmhaube, ihm gehören auch zahlreiche Edel-Bars auf Kampens Whiskeymeile.«
    » Der ist das?« Gehört habe ich schon viel von ihm.
    »Ja, der ist das. Von einem eigenen Handtaschenlabel mal ganz abgesehen, besitzt er auch noch drei oder vier Nistvillen mit Wattblick im Hobokenweg.«
    »Das ist doch Deutschlands teuerste Nistmeile?«
    »So ist es. Unter zehn Millionen Heringen ist da nichts zu machen.«
    »Zehn Millionen? Unfassbar! Wer hat denn so viele Heringe? Da kann ich mit meinem Nest auf Hallig Hooge ja einpacken.«
    »Warum? Dein Nistplatz ist auch einiges wert, und die Weibchen werden … Moment mal. Bist du etwa in Suzette verliebt?«
    »Ach Quatsch. Das habe ich nur so dahergesagt.«
    Balthasar neigt den Kopf. »Aha. Alles klar.«
    Na hervorragend, nun weiß Balthasar also Bescheid. Hätte ich doch nur meinen Schnabel gehalten. Aber er ist immerhin taktvoll genug, nicht weiter nachzubohren.
    Wir kreisen über der Sturmhaube, wovon Mogulis und Suzette nicht mal was mitbekommen. In demütiger Buckelhaltung steht Suzette da, während dieser Mogulis um sie herumschwänzelt und sie mit stimmgewaltigen Jauchzern beeindruckt. Suzette wirft den

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